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Homepage: Abschied von der Schönheit

Kunststudenten zeigen Werke im Alten Rathaus

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Nofretete hat etwas im Gesicht. Ein weißer Belag überzieht das Antlitz der schönen ägyptischen Königin, deren Büste im Potsdamer Alten Rathaus ausgestellt ist. Vor etwa zwei Jahren hat die angehende Kunstlehrerin Saskia Voortmann die Büste mit Frischkäse überzogen. Seitdem schimmelt Nofretete unter einer Plexiglashaube vor sich hin. Das ungewöhnliche Werk ist Teil der Ausstellung „Revisionen“, in der sechs Kunststudenten der Universität ihre Arbeiten ausstellen. Die Studierenden des Studiengangs Kunst für Lehramt müssen ihr Können in einer öffentlichen Ausstellung beweisen, bevor sie zu den Abschlussprüfungen antreten können. „Ästhetische Sprengkraft“ sollen sie dabei zeigen, sagte zur Eröffnung Prof. Meike Aissen-Crewett von der Universität. Bis Ende März können sich Besucher überzeugen, wie die Studierenden mit diesem Programm umgegangen sind.

„Ich wollte Nofretete hässlich machen“, erläuterte Saskia Voortmann ihr Schimmel-Projekt. Sie habe sich über die Annahme geärgert, Kunst müsse dekorativ sein. Königin Nofretete gelte als Inbegriff der Schönheit. Doch die angehende Lehrerin hat recherchiert, dass Nofretete eine grausame Herrscherin war. „Ich wollte das Innere nach außen kehren.“ Nun steht die Büste hell erleuchtet im kreisförmigen Skulpturenraum der Ausstellung. Und die Studierenden haben noch weitere Herausforderungen an die Besucher. In einem der anschließenden Räume zeigt Sebastian Mögelin Ölgemälde, Collagen und Videokunst. Auch für ihn hat Kunst eine kritische Funktion. Gesellschaftliche Werte sollen hinterfragt werden. Bei Mögelins kraftvollen Bildern dominieren die Farben rot und blau. Während blau in Ölgemälden für die Ursprünglichkeit des Meeres steht, greifen die roten Collagen soziale Themen auf. „Untertan“, „Unter Beschuss“ und „Unter Druck“ sind die Titel einiger dieser Werke.

Mögelin spielt mit dem Wort „unter“. „Ich möchte Geschichten aus dem Wort herausholen und Energie in die Bilder reinstecken“, sagte er. Auf seinen Collagen werden „unterdrückte“ Menschen von sensationslüsternen Fotografen „unter Beschuss“ genommen. Mit kräftigen Farbtönen und ausgeschnittenen Zeitungsschlagzeilen entfalten die Bilder eine starke Wirkung, wollen den Betrachter provozieren. Dem setzt der Kunststudent die großen Ölbilder vom Meer entgegen. In weiten Pinselstrichen sollen sie ein blauer, grüner und weißer Kontrast zu den Collagen sein und Ruhe signalisieren. „Es geht um ästhetische Erfahrung“, so Mögelin. Wie andere Teilnehmer der Ausstellung möchte er den Besuchern verdeutlichen, wie ein künstlerischer Schaffensprozess aussieht. Kunst soll erlebbar werden. Vielen Exponaten sieht man an, dass ihnen ein intensiver Prozess künstlerischer Arbeit zu Grunde liegt. In der Ausstellung müssen die angehenden Kunstlehrer ihr Können unter anderem in den Disziplinen Malerei, Grafik und Skulptur zeigen.

„Unsere Studierenden sollen einen kreativen Prozess an sich selbst erfahren“, sagte Prof. Aissen-Crewett den PNN. Hier sieht sie die Besonderheit der kunstpädagogischen Ausbildung an der hiesigen Universität. Während in anderen Universitäten die Ausbildung oft sehr theoretisch sei, sollen die Potsdamer Studierenden experimentieren, sogar rebellieren dürfen. Dazu stehen ihnen in Golm 300 Quadratmeter Werkstatt- und Atelierfläche zur Verfügung. Nun verabschieden sich sechs Studierende mit dieser Ausstellung, die sich über die ganze erste Etage des Alten Rathauses erstreckt. So ist es für viele ein Abschied von der Uni, aber auch die erste große Ausstellung. Viele haben Kataloge gedruckt und hielten bei der Eröffnung Visitenkarten bereit. Auch die musikalische Untermalung passte bestens zu dem vielschichtigen Charakter der Ausstellung. Kirsten Müller und Daniel Mögelin spielten moderne Tangos des argentinischen Komponisten Astor Piazzolla. Der argentinische Tango mischt Melancholie mit Rebellion, Rhythmus mit Dissonanz. Ein passendes Stimmungsbild für diese sehenswerte Ausstellung.

Ausstellung „Revisionen“ im Alten Rathaus am Alten Markt, Dienstag bis Sonntag, 10-18 Uhr. Bis zum 25. März.

Mark Minnes

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