Landeshauptstadt: Abwehrhaltung
Bei den Vorwürfen um verprasste Fraktionsmittel fühlen sich die wenigsten Politiker angesprochen
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Die Zwei-Mann-Fraktion der Potsdamer Demokraten war in den vergangenen Jahren ein beliebter Gastgeber für Empfänge. Doch nun hat einer der beiden Demokraten-Stadtverordneten, Wolfgang Cornelius, gegenüber den PNN eingeräumt, dass die Feste auch mit Fraktionsmitteln bezahlt wurden – was ausdrücklich nicht erlaubt ist. „Wir sind gar nicht auf die Idee gekommen, dass das nicht zulässig ist – wir haben im guten Glauben gehandelt und ein reines Gewissen“, sagte der 72–Jährige den PNN am Mittwoch.
Wie berichtet hat das Oberbürgermeisterbüro bei einer Tiefenprüfung festgestellt, dass es bei der Verwendung der Fraktionsgelder zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Unter anderem seien die Mittel für die Fraktionen (siehe Kasten) – eigentlich nur vorgesehen für deren Arbeit – für willkürliche Sonderzahlungen an Mitarbeiter oder auch für Weihnachtsfeiern oder eben Empfänge eingesetzt worden. Dabei regelt etwa ein Runderlass des Innenministeriums, dass zum Beispiel „gesellige Veranstaltungen“ nicht mit Fraktionsgeldern aus kommunalen Haushaltsmitteln finanziert werden dürfen.
Cornelius von den Potsdamer Demokraten sagte, seine Fraktion habe Empfänge – etwa zuletzt im Februar auf dem Theaterschiff – als Öffentlichkeitsarbeit betrachtet. „Es ist auch immer um kommunalpolitische Themen gegangen. Wir haben uns da kein süßes Leben gemacht“, so Cornelius. Ebenso hätte die Fraktion immer nur das erste Getränk gezahlt: „Wer mehr trinken oder etwas essen wollte, musste selbst bezahlen. Wir meinten, das gehört sich so.“ Zudem sei Geld da gewesen, da man bewusst auf die Einstellung einer Sekretärin verzichtet habe. „Wir haben das Geld bewusst für die Öffentlichkeitsarbeit gespart – für die Stadt ist es doch egal, ob wir das Geld für Personal oder anderes ausgeben“, erklärte Cornelius.
Wenig überrascht von den Vorwürfen zeigte sich der Vorsitzende der Stadtverordneten, Peter Schüler (Grüne). Denn bei den 2008 verabschiedeten Regeln bestünde noch Interpretationsspielraum – das müsse für die kommende Wahlperiode verbessert werden. Dass die Prüfung zudem ergeben habe, dass fast alle Fraktionen mehr einnahmen, als sie ausgeben konnten, sei ein „gutes Argument für Bescheidenheit“, wie Schüler sagte. Seiner Fraktion bescheinigte er – ohne Details zu nennen –, in Sachen finanzieller Unregelmäßigkeiten „im Durchschnitt“ zu liegen.
Dagegen sagte SPD-Fraktionschef Mike Schubert: „Die Vorwürfe betreffen uns nicht.“ Auch sein Kollege Hans-Jürgen Scharfenberg von der Linken sagte zu den Aussagen des Prüfberichts: „Das trifft bei uns alles nicht zu.“ Ähnlich äußerten sich Vertreter von Die Andere und vom Bürgerbündnis. Der FDP-Fraktionschef war nicht zu erreichen. Der neue CDU-Fraktionsvorsitzende Matthias Finken sagte, Hinweise der Stadtverwaltung würden umgesetzt – etwa zur Bezahlung von Fraktionsmitarbeitern. Zugleich verteidigte er die in dem Verwaltungsbericht kritisierten zu hohen Rücklagen der Fraktionen – gerade für unsichere Wahljahre sei das ein Muss. SPD, Linke und CDU sprachen sich auch gegen die von der Stadtverwaltung angeregte Kürzung der Fraktionsmittel aus. Scharfenberg sagte, schon jetzt seien die ehrenamtlichen Stadtverordneten gegenüber der Stadtverwaltung unterlegen – eine Kürzung wäre daher fatal.
Der Verwaltungswissenschaftler Thorsten Ingo Schmidt von der Uni Potsdam sagte den PNN, für die Mittelzuwendung von Fraktionen in kommunalen Parlamenten seien strenge und möglichst klare Regeln über die zulässigen Ausgaben nötig. Auch forderte er regelmäßige Kontrollen, „nicht nur nach Ablauf der Legislaturperiode“ – wie jetzt in Potsdam. HK/ wik
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