Landeshauptstadt: Abzug der Linken
Schlosskoalition verabschiedete Haushalt 2006 – Linkspartei.PDS boykottierte die Abstimmung
Stand:
Erbitterte Debatten, Handgreiflichkeiten und zum Schluss leere Stuhlreihen: Potsdams Stadtverordnete haben gestern in einer äußerst turbulenten Sitzung den Haushalt für das Jahr 2006 verabschiedet. Gegenstimmen gab es dabei kaum – denn die Fraktionen von Linkspartei.PDS und „Die Andere“ hatten aus Protest gegen das Abstimmungsverfahren den Sitzungssaal verlassen.
Grund des Eklats: Eine Mehrheit der Stadtverordneten votierte dafür, über die Änderungsvorschläge von Verwaltung, Fraktionen, Ausschüssen und Ortsbeiräten im Paket abzustimmen. Die Linkspartei.PDS dagegen wollte, dass über jeden ihrer Änderungsvorschläge einzeln entschieden werde. Als Linkspartei.PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg dann mit der Forderung, zumindest einen seiner Meinung nach neuen Änderungsantrag einzeln abzustimmen, erneut abblitzte, stürmten er und seine Fraktion aus dem Saal. Eine Abstimmung nach „demokratischen Grundregeln“ müsse möglich sein, hatte Scharfenberg zuvor höchst aufgebracht kritisiert. Und selbst zu Handgreiflichkeiten soll es während der politischen Auseinandersetzung gekommen sein: Scharfenberg habe SPD-Fraktionschef Mike Schubert zur Seite geschubst, als dieser ihm während eines Redebeitrags zu nahe gekommen sei, schilderten Augenzeugen.
Zuvor hatten sich Scharfenberg und Schubert einen verbalen Schlagabtausch geliefert. Der Linkspartei-Fraktionschef warf der so genannten Schlosskoalition aus SPD, CDU, Bündnis 90/Grüne, BürgerBündnis und FDP, die ihre Änderungsvorschläge wiederholt zum Haushalt gemeinsam eingebracht hatte, vor, sie lasse sich von der Stadtspitze „mit Zuckerstückchen ruhig stellen“. Die „unverhohlene Parteinahme“ der Verwaltung für die Vorschläge der Schlosskoalition sei „skandalös“ und „SPD-Filz pur“, so Scharfenberg weiter. Während die Verwaltung die Änderungsvorschläge der Linkspartei zum Haushalt zwei Wochen lang prüfe, „und dann geht nichts – geht bei der SPD alles“. SPD-Fraktionschef Schubert wies Scharfenbergs Vorwürfe zurück. Es stehe im Mittelpunkt, die Schulden der Stadt weiter abzubauen. „Und seit Sie, Herr Scharfenberg, hier nichts mehr zu sagen haben, sinkt das Defizit.“ Schubert erklärte zudem, wer über die Änderungsanträge einzeln abstimmen lassen wolle, „will sich nur die Rosinen herauspicken“. Die Parteien müssten transparent machen, wofür sie einträten – und wo sie Gelder streichen. CDU-Fraktionschef Götz Th. Friederich sagte, die Schlosskoalition habe ihre Entscheidungen ausgewogen getroffen und lasse keine „Spaltung der Stadt“ zu.
Scharfenberg hatte zuvor kritisiert, nach Willen von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) präge die Wiederherstellung der historischen Mitte den städtischen Haushalt. „Da lässt er keine Luft dran, dem sollen sich die Bürger beugen.“ Zudem habe Jakobs die Stadtverordneten nicht einmal darüber informiert, dass Fördergelder in Höhe von 2,5 Millionen Euro für den Städtebau in den Neubaugebieten wegen fehlender Kofinanzierung der Stadt nicht abgerufen werden könnten. Dass die Schlosskoalition die Summe für die Neubaugebiete nun um 500 000 Euro auf 6,9 Millionen Euro erhöht habe, sei lediglich auf Druck der Linkspartei geschehen.
Verabschiedet wurde der Haushalt gestern mit der Mehrheit der Schlosskoalition und den Stimmen der zwei Familienpartei-Abgeordneten. Die Änderungsanträge der Linkspartei.PDS fielen allesamt durch. Ein so genannter „haushaltsbegleitender Antrag“ der Schlosskoalition schreibt vor, dass Oberbürgermeister Jakobs bis August 2006 „schlüssige Finanzpläne“ für die Sanierungen von Kulturhaus Babelsberg, Stadt- und Landesbibliothek, Potsdam-Museum und Altem Rathaus vorlegen muss.
Insgesamt umfasst der gestern verabschiedete Potsdamer Haushalt Ausgaben von 408 Millionen Euro und Einnahmen von 366 Millionen Euro – diese sind vor allem Zuschüsse des Landes und Steuereinnahmen. Im Vermögenshaushalt sind 85,8 Millionen Euro für Investitionen eingeplant. Das Jahresdefizit der Stadt liegt bei 12,7 Millionen Euro, für Zinsen zahlt die Stadt in diesem Jahr 7,2 Millionen Euro. Da Potsdam verschuldet ist, muss das Innenministerium den Haushalt genehmigen, bevor er in Kraft treten kann.
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