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Landeshauptstadt: Action-Video unterschlagen

Angeklagter: „So bin ich eben!“ Verleiher: Dieser Fall ist nur einer unter 400

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Angeklagter: „So bin ich eben!“ Verleiher: Dieser Fall ist nur einer unter 400 Von Gabriele Hohenstein „Ich sitze zum ersten Mal auf der Anklagebank. Eigentlich bin ich ganz schön schockiert, dass es so weit kommen konnte“, meint Jörg D.* (40). Der arbeitslose Taxifahrer hätte sich diese Peinlichkeit ersparen können. Doch er war zu träge, die am 19. Mai 2003 ausgeliehene Action-Kassette vereinbarungsgemäß am nächsten Vormittag in die Videothek zurückzubringen. Auch an den folgenden Tagen konnte er sich nicht dazu aufraffen. Laut Staatsanwaltschaft nutzte Jörg D. den Film bis zum 11. August vorigen Jahres wie sein Eigentum. Juristisch gesehen ist dies Unterschlagung. „So bin ich eben“, erklärt der Angeklagte. „Ich bin Alkoholiker. Die Sache mit dem Video ist ja nicht das Einzige, was ich damals nicht auf die Reihe gekriegt habe. Mein Vermieter hatte mir die Wohnung gekündigt. Mein ganzes Leben lief den Bach hinunter. Da habe ich die Sache mit der Kassette auf die leichte Schulter genommen.“ Er wisse, dass ihm seine Nachlässigkeit viel Ärger und wenig Freunde einbringe, aber er könne es halt nicht ändern, stellt der Mann klar. „Irgendwann war die Leihgebühr dann so hoch, dass ich mich einfach nicht mehr hingetraut habe. Erst als der Verleiher mit einer Anzeige drohte, ist mir bewusst geworden, dass das kein Spaß ist.“ „Sie hätten die Videokassette mit der Post schicken können“, wirft Richterin Judith Janik ein. Jörg D. klaubt verlegen an seinen Fingernägeln. Inzwischen tränke er keinen Alkohol mehr und habe sich einer Selbsthilfegruppe angeschlossen, beteuert er. „Ich habe mir jetzt vorgenommen, geborgte Sachen pünktlich zurückzugeben.“ Auch der Videotheken-Betreiber könne die Kassette mit dem Actionfilm sofort erhalten. Darauf legt Hans-Ullrich R. (57) allerdings keinen Wert. Nach rund zwanzig vergeblichen Anrufen beim Angeklagten und zwei Mahnungen hat er sich die 50 Euro ans Bein gebunden und das Video erneut angeschafft. Was der Zeuge möchte, ist die Erstattung der 270 Euro Leihgebühr. Die kann er zivilrechtlich einklagen. Doch Jörg D. hat kein Geld. Die ihm vom Gericht auferlegte Strafe wegen Hehlerei in Höhe von 375 Euro muss er allerdings aufbringen, will er keine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen. Der Fall Jörg D. sei nur einer unter 400, erklärt der Videothekenbetreiber beim Hinausgehen. „Solche Leute treiben mich in den Ruin.“ (*Name geändert.)

Gabriele Hohenstein

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