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POTSDAM UMFAHREN?: AG Netzverknüpfung legt sich die Karten Jeder fünfte Potsdamer radelt zum Ziel

Doch weniger Autos sind deshalb nicht auf der Straße – denn der Pendlerverkehr von außerhalb nimmt zu

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So interessant der Vortrag von Detlef Pfefferkorn zur Potsdamer Verkehrsstatistik war, auch diesmal wurden keine Schlussfolgerungen für das Projekt „Templiner Spange“ gezogen. Die Arbeitsgemeinschaft „Integriertes Verkehrskonzept“ hat sich deshalb am Dienstagabend die Karten gelegt: So kommen wir nicht weiter, hieß es unisono. Aussicht auf Konsens wird kaum gesehen, obwohl der ja gerade das Ziel der AG ist: Nur wenn Einigkeit in der Region besteht, ist der Bund bereit, den ersten Abschnitt der Netzverknüpfung zwischen B 1 und B 2 über den Templiner See zu finanzieren. Deshalb wurde die AG gegründet. Die sucht nach einem Ausweg aus dem Dilemma: Die bisher geplante Vorgehensweise wurde umgeworfen. Statt Gutachter und Verkehrsingenieure über Belastungsdaten referieren zu lassen, will man sich die Problemschwerpunkte im Potsdamer Stadtgebiet einzeln vorknöpfen. Punkt für Punkt will man über konkrete Gegenmaßnahmen reden: veränderte Ampelschaltungen, veränderte Fahrspuren, ein Lkw-Führungskonzept oder Veränderungen im öffentlichen Personennahverkehr. Jeweils soll auch geklärt werden, inwieweit die Templiner Spange zur Milderung des Einzelproblems beitragen kann. Der Antrag für diese neue Vorgehensweise wurde vom Michendorfer Grünen Andree Halpap gestellt. „Bisher haben wir Ergebnisse produziert, die niemandem helfen“, sagte Halpap. Einigkeit wird sich wohl auch durch dieses Vorgehen nicht erzielen lassen, wie Potsdams Bauausschussvorsitzender Christian Seidel (SPD) anmerkte. Aber auch er hofft, ein bisschen mehr Transparenz in eine Diskussion zu bekommen, in der zahlreiche Bürgerinitiativen, der Landkreis Potsdam-Mittelmark und die Stadt Potsdam gegeneinander spiegelfechten. hkx

Potsdam steigt um: Das Fahrrad ist inzwischen für jeden fünften Einwohner zum bevorzugten Verkehrsmittel geworden, im Jahr 1991 war es jeder zehnte. Bus und Bahn – vor der Wende mit über 30 Prozent wichtigstes Beförderungsmittel nach den Beinen – können mit diesen Steigerungsraten nicht mithalten. Aber auch hier zeigt sich ein positiver Trend: Der ÖPNV hat sich mit 19,6 Prozent wieder auf den Nachwendestand eingepegelt, 1998 wurde er nur zu knapp 15 Prozent bevorzugt. Fahrrad, Bus und Bahn haben damit das Auto als Transportmittel (37,5 Prozent) überholt.

Die Zahlen, die Dienstagabend in der Arbeitsgemeinschaft Netzverknüpfung vorgestellt wurden, stammen zwar aus repräsentativen Befragungen vom Jahr 2003. Aktuelle Verkehrszählungen bestärken aber das Bild, wie der Verkehrsstatistiker der Stadtverwaltung, Detlef Pfefferkorn, erläuterte. So zeigt das Beispiel Lange Brücke, wie bei gleichbleibenden Verkehrszahlen der Anteil Potsdamer Verkehrsteilnehmer drastisch sinkt.

Noch vor zwölf Jahren stand auf 60 Prozent aller Fahrzeuge ein „P“ auf dem Kennzeichen. Voriges Jahr waren die Potsdamer dann nur noch zu 46 Prozent am Verkehr auf der Langen Brücke beteiligt. Von den werktäglich etwa 45 000 Fahrzeugen kamen 30 Prozent aus Potsdam-Mittelmark, sechs Prozent aus Berlin und der Rest von anderswo. Laut Pfefferkorn mehr Pendlerverkehr, der durch die umweltbewussten Landeshauptstädter ausgeglichen wird. Denn im gleichen Zeitraum hat sich der Radverkehr auf der Langen Brücke fast verdoppelt: Von 2260 in sechs Stunden gezählten Rädern 1996 stieg er auf 4302 im vorigen Jahr.

Mehr Räder, mehr Pendler – die Verkehrsbelastungen ist auch auf anderen Potsdamer Straßenachsen unverändert groß: Laut Pfefferkorn ist die Nuthestraße zwischen Neuendorfer und Wetzlarer Straße mit 80 000 Fahrzeugen der am dichtesten befahrene Straßenabschnitt in der Stadt. 50 000 Fahrzeuge passieren täglich die Humboldtbrücke, auf der Breiten Straße werden seit 2001 konstant etwa 40 000 Autos pro Werktag gezählt, auf der Zeppelinstraße 34 000. Und auch die Hans-Thoma-Straße zählt mit fast 18000 Fahrzeugen zu den Sorgenkindern, was die Lärm- und Feinstaubbelastung der Bewohner angeht. Nur an einer Stelle hat sich die Situation verbessert: Auf der Glienicker Brücke ist die Verkehrsbelastung seit sechs Jahren um 30 Prozent gesunken – laut Pfefferkorn ein Erfolg des Anschlusses der A 115 an die Nuthestraße.

Die vorgestellten Zahlen sollen zur Meinungsbildung beitragen: Im Januar hatte sich die Arbeitsgemeinschaft „Integriertes Verkehrskonzept Potsdam – Potsdam-Mittelmark“ gegründet. Ziel der AG, die sich aus Vertretern der Parlamente, Verwaltungen und Initiativen aus Potsdam und Potsdam-Mittelmark zusammensetzt, ist es, eine Entscheidung zur umstrittenen Netzverknüpfung vorzubereiten. Einigkeit in der Region ist Voraussetzung, damit der Bund einen ersten Abschnitt der Ortsumgehung zwischen B 1 und B 2 über den Templiner See finanziert.

Zweimal mehr wurde in der Sitzung aber der Ruf nach nachhaltigen Verkehrslösungen laut: Von Detlef Gerritzen von der Lokalen Agenda im Kirchenkreis Potsdam und Bert von Heydebreck von der AG Verkehrskonzepte Stahnsdorf. Heydebreck sprach sich für eine Mehrsystembahn zwischen Teltow und dem Wohngebiet Am Stern aus, um auf dieser stark frequentierten Strecke Alternativen für das Auto zu bieten. „Jede neue Straße erzeugt nur neuen Verkehr.“ Henry Klix

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