zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Agentur on tour

Immer weniger Schüler, immer mehr freie Lehrstellen – die Arbeitsagentur offeriert Stellen an Schulen

Stand:

Es gibt sogar ein 08/15-Angebot: Das Synonym für Langeweile ist allerdings nur die Kennziffer eines der 480 Ausbildungsangebote der Potsdamer Arbeitsagentur, die Bestandteil eines Lehrstellenmobils sind und gestern erstmals an einer Schule präsentiert wurden. 40 Zehntklässler der Käthe-Kollwitz-Oberschule in Potsdam haben am ersten Tag das Angebot genutzt und womöglich Weichen für die Zukunft gestellt. Denn wer sich wie Florian Gebhardt aus dem Angebot für eine Lehrstelle interessiert, bekommt nun die Kontaktdaten für eine Bewerbung.

Die Angebote sind wie Handtücher an einer Wäscheleine aneinandergereiht. 40 Meter lang ist die Schautafel, an der sich die Schüler über die Berufe informieren können. Beispielsweise für das Angebot 02/34 – Gleisbauer. Geboten wird „Eisenbahnbau in Deutschland und im angrenzenden und weltweiten Ausland“. Wer sich dahinter verbirgt, sehen die Schüler nicht. Einzig der Ausbildungsort, Beginn und die Voraussetzungen sehen sie direkt auf den Flyern. Florian Gebhardt würde gerne wissen, welches Unternehmen dahinter steckt. Denn der Zehntklässler würde lieber in einem großen, namhaften Unternehmen zu seinem Wunschberuf Mediengestalter ausgebildet. Doch sei vor allem die Nähe zu Potsdam wichtig. Er hat sich für drei Angebote entschieden und gleich noch einen Beratungstermin bei Solveig Hannemann besorgt. Die Mitarbeiterin der Arbeitsagentur kommt an die Schule und berät die Schüler regelmäßig in Sachen Berufsorientierung.

Es gibt deutlich weniger Bewerber auf die Stellen als noch vor zwei Jahren, sagt Simone Möhring. Um 40 Prozent sei die Zahl zurückgegangen. Die Mitarbeiterin der Agentur für Arbeit betreut den Bereich Gesundheitswesen und Handel in Potsdam, erste Unternehmen hätten sich schon gemeldet und nach Bewerbungen gefragt. Da haben sich die Zeiten geändert. Noch vor einigen Jahren habe es bei Banken 500 Bewerbungen auf eine Ausbildung gegeben, heute seien es 60. Rein statistische betrachtet könnte das Verhältnis in diesem Jahr sogar ausgeglichen sein. In den kommenden Wochen tourt das Lehrstellenmobil mit 480 Angeboten durch den Arbeitsamtsbezirk – insgesamt 19 Schulen werden besucht. Jedem Schulabgänger steht ein Ausbildungsplatz gegenüber – aber nicht immer der Traumberuf.

Was er werden möchte, hat Pascal Müller noch nicht entschieden. Er hat sich verschiedene Ausbildungsangebote mitgenommen: Lagerlogistik, Maler und Koch. Es werden die ersten Bewerbungen sein, die der 15-jährige Potsdamer schreibt. Das Halbjahreszeugnis sei Bewerbungsgrundlage. In seiner Zeit an der Oberschule hat er bereits zwei Praktika absolviert: Das eine in einem Lager, das andere Mal als Maler. Jetzt kann er sich das sogar für immer vorstellen. Auch Lisa Zschiedrich hat das Praktikum beim Bundeswehrdienstleistungszentrum gut gefallen – sie will später an einem Schreibtisch in einem Büro arbeiten. Vielleicht als Rechtsanwaltsfachangestellte oder im Touristikbereich. Später ist dabei bereits in einem halben Jahr, denn nach der 10. Klasse ist Schluss mit Schule.

Nicht bei allen in diesem Jahrgang der Kollwitz-Oberschule, sagt Sigrid Gärtner. Seit Jahren kümmert sich die Lehrerin um die Berufsvorbereitung, macht den Schülern Dampf bei der Bewerbung. In diesem Jahr gebe es einige, die nach der zehnten Klasse an einer Gesamtschule oder am Oberstufenzentrum in Werder ihr Abitur ablegen wollen. Aber auch für die sei etwas im Angebot der Arbeitsagentur gewesen. Beispielsweise ein duales Studium zum Bachelor of Engineering.

Die Kollwitz-Oberschule setzt auf Praxis im Unterricht und ist im vergangenen Jahr als „Schule mit hervorragender Berufsorientierung“ ausgezeichnet worden. So haben Schüler der Schule in einem Projekt mit dem Verkehrsbetrieb Potsdam eine Straßenbahn mit Graffiti gestaltet, um gegen Vandalismus mobil zu machen. Und erst vor Kurzem haben vier Kollwitz- Schüler gemeinsam mit dem Medienlabor und den Wirtschaftsjunioren einen Kurzfilm gedreht und dafür den Bundespreis „Bildung vernetzt“ erhalten. Damit jeder Schüler seinen Traumjob findet und nicht den 08/15-Job, hat sich die Schule die Berufsvorbereitung ins Schulprogramm geschrieben. Jan Brunzlow

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })