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Landeshauptstadt: Alle für alle

Das Projekthaus Babelsberg feierte seinen achten Geburtstag – und die Erfüllung eines Traums

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Babelsberg - Alle gegen alle? Mit dieser Griebnitzsee-Hymne hat die „Sogenannte anarchistische Musikwirtschaft“ am Samstag den uralten Potsdamer Streit um die Uferwege aufs Korn genommen – ausgerechnet zum achten Geburtstag des Projekthauses Babelsberg. Dort verfolgt man eine andere Idee: Jeder für jeden, gemeinsam leben, selbstorganisiert und solidarisch, das ist das Konzept, mit dem die Initiatoren das Wohnprojekt in den vergangenen Jahren zu einer Art Institution in Potsdam gemacht haben.

„Es ist wichtig, der Stadtpolitik etwas entgegenzusetzen“, sagt Holger Zschoge, Sprecher der Trägervereins Inwole. Wer in Potsdam alternative Wohn- und Lebensformen sucht, habe es schwer. Oft werde behauptet, unter zehn Euro Miete pro Quadratmeter sei in Potsdam nichts zu machen.

Viele, vor allem junge Leute, würden die Stadt verlassen, weil sie keine bezahlbaren Wohnungen finden. „Die ziehen dann eben aufs Land, obwohl sie eigentlich die Vielfalt der Stadt suchen.“ Im neuen Mehrfamilienhaus im Passivhausstandard, das die Initiative jetzt auf dem Gelände des Projekthauses in Potsdam-Babelsberg baut, wird die Miete nicht mehr als sieben Euro pro Quadratmeter kosten. „Das geht, wenn man sich dem Profitdruck der Investoren entzieht“, sagt Zschoge.

Der Bedarf ist groß: Aktuell leben 22 Menschen in dem Mehrgenerationen-Wohnprojekt, manche in WGs, andere nicht. Wenn der Neubau fertig ist, werden mehr als 30 Leute auf dem Projekthausgelände leben. Auch Zschoge selbst muss dann nicht mehr zwischen Kirchsteigfeld und Babelsberg pendeln, er zieht selbst dort ein, im Erdgeschoss sollen eine Gemeinschaftsküche und Büroräume für die Projektkoordination entstehen.

Weil es noch viel mehr Menschen in Potsdam gibt, die abseits der klassischen Reihenhaus- und Villenstruktur leben wollen, bietet der Verein Inwole seit Jahren Beratungen für kollektive Baugemeinschaften an. Förderung von der Stadt gibt es dafür nicht, obwohl der finanzielle Aufwand gering wäre: „Es ist einfach nicht gewollt“, vermutet Zschoge.

Trotz allem sei Potsdam aber eine bunte, vor allem auch eine grüne Stadt. „Die Hochkultur, die teuren Villen, das gehört natürlich dazu, gleichzeitig gibt es aber eben auch diese gut vernetzte Szene, ein Teil davon hat seine Wurzeln noch in den Hausbesetzungen der 90er-Jahre“, so Zschoge.

Und ein guter Teil dieser bunten Szene war am Samstag zum Feiern auf das Projekthaus-Gelände gekommen. Wer noch monotones Schwarz trug, dem patschte der etwa vierjährige Franz mit blauen Kreidehänden auf die Hose – angestiftet von den ebenfalls komplett in schwarz gekleideten Bläsern der „Sogenannten Anarchistischen Musikwirtschaft“. Ihre schnellen, balkanlastigen Coverversionen eher düsterer Hymnen wie „Paint it black“ und „Tainted Love“ brachten die Zuhörer zwar nur zum Mitwippen - zum Tanzen war die Stimmung viel zu entspannt, das Sitzen ums Lagerfeuer viel zu gemütlich. alm

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