zum Hauptinhalt

Von Michael Erbach und Guido Berg: Alle wollen verhandeln

Uferweg am Griebnitzsee nach Urteil zuungunsten der Stadt weiter frei

Stand:

Babelsberg - Nach dem für die Stadt Potsdam vernichtenden Urteil über die Betretungsrechte am Ufer des Babelsberger Griebnitzsees stehen die Zeichen auf Verhandlungen. Sowohl von Seiten der Stadt wie auch von Seiten der Grundstücksbesitzer wurde signalisiert, dass die Bereitschaft für neue Gespräche vorhanden ist. Am Donnerstag hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in allen acht Fällen, die zur Verhandlung standen, zugunsten der Grundstückseigentümer entschieden. Danach besteht für diese Grundstücke kein öffentliches Betretungsrecht – somit haben die Eigentümer auch das Recht, den durch ihre Grundstücke führenden öffentlichen Uferweg zu sperren. Bis gestern Nachmittag war der Weg jedoch weiter frei.

Als „relativ bitter“ und „für mich nicht nachvollziehbar“ wertete Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gestern das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zum Griebnitzsee. Jakobs kündigte an, noch am Freitag sollten Briefe an die acht vor Gericht erfolgreichen Grundstückseigentümer verschickt werden mit der Einladung zu Gesprächen. Ziel sei, „ein Arrangement“, eine „freiwillige Übereinkunft, um die Betretungsrechte zu sichern“. Aus der Niederlage der Stadt vor Gericht sollte Jakobs zufolge „nicht geschlussfolgert werden, dass Betretungsrechte langfristig abgegeben werden“. Ziel bleibe der öffentliche Uferpark. Jakobs: „Am langen Ende kann uns niemand daran hindern, das umzusetzen.“ Allerdings rechnet Jakobs damit, dass die Uferanrainer „alle rechtlichen Register ziehen“ werden, lediglich begrenzt durch den Geldbeutel, der sei aber bei einigen „prall gefüllt“, so Jakobs. Als „ultima ratio“ bleibe die Enteignung, betonte Jakobs: „Aber ich setze nicht darauf.“ Der Oberbürgermeister wies darauf hin, dass es erklärter Wille der Mehrheit der Potsdamer sei, „über den Uferweg zu gehen, auch nach 22 Uhr“. Sollte der Uferweg bis zum Umsetzen des Bebauungsplanes durch die Anrainer mittels „schwarzer Sheriffs“ oder „Flatterbändern“ gesperrt sein, sei das „nicht im Sinne des sozialen Friedens“. Die Anlieger könnten selbst nicht wollen, dass es am Ufer „Demonstrationen“ oder „Happenings“ gibt, bei denen die Wege dann begangen werden. Da die Errichtung baulicher Sperren auch nach dem OVG-Urteil verboten sind, „werden wir sie zu verhindern wissen“, so der Oberbürgermeister. Ob die Stadt eine „bundesrechtliche Überprüfung“ anstreben wird, so Rechtsanwalt Graupeter, werde erst nach Eingang der schriftlichen Urteilsbegründung in zwei Wochen entschieden.

Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg forderte die Stadtverwaltung gestern auf, den Willen der Mehrheit der Potsdamer Bevölkerung „mit allen rechtlichen Mitteln“ durchzusetzen. „Dazu gehört auch das im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Enteignung bei denjenigen, die den offenen Uferweg nicht akzeptieren wollen.“ SPD-Fraktionschef Mike Schubert plädierte dafür, alle Verhandlungsoptionen zu nutzen, um den Schritt der Enteignung und die damit verbundenen hohen Kosten für die Stadt zu vermeiden. Der Verein „Griebnitzsee für alle“ verwies darauf, dass sich Tausende Potsdamer für einen öffentlichen naturbelassenen Uferpark ausgesprochen hätten. Der entsprechende B-Plan, der bereits gültig ist, müsse nun mit Dringlichkeit umgesetzt werden.

Rechtsanwalt Christoph Partsch, der bei dem Prozess sechs Grundstückseigner vertrat, sagte gestern, dass die Stadt angesichts der eindeutigen rechtlichen Situation endlich auf die Grundstückseigentümer zugehen müsse. Zwar habe er Verständnis dafür, dass die Stadt für ihre Bürger einen öffentlichen Uferweg durchsetzen möchte, „aber der Rechtsweg muss eingehalten werden“, so Partsch. Zu der Frage, ob einige der Anlieger erwägen, den Uferweg nunmehr zu sperren, wollte sich der Anwalt nicht äußern.

Bislang hat keiner der Grundstückseigner erklärt, von seinem Recht, den Uferweg absperren zu können, Gebrauch machen wollen. Bis gestern Nachmittag war der Uferweg auch weiter durchweg geöffnet – lediglich neu angebrachte Schilder am Weg wiesen darauf hin, das es sich bei Uferabschnitten um Privatgrundstücke handelt. „Wir wollen den Weg nicht sperren“, sagte einer der Grundstücksbesitzer. „Wir wollen aber endlich Verhandlungen auf Augenhöhe.“ Bei den bisherigen Gesprächen hatten viele Anlieger signalisiert, einen öffentlichen Uferweg zu tolerieren, zugleich aber Bedingungen gestellt. So soll es ein Radfahrverbot geben und ein nächtliches Betretungsverbot. Dazu war die Stadt bislang nicht bereit.

Der ehemalige Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen wird seit der Wende von Fußgängern, Radfahrern und Joggern genutzt, führt aber über zahlreiche Grundstücke, die mittlerweile an private Anlieger verkauft wurden. Die Stadt plant auf dem 2,8 Kilometer langen Seeufer einen öffentlichen Park einzurichten, viele Privatanlieger wollen jedoch den Uferbereich ihrer Grundstücke privat nutzen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })