Landeshauptstadt: Alles Gute kommt von unten
Der Nil-Klub am Neuen Palais feierte am Wochenende 15-jährigen Geburtstag. Ein Rückblick auf eine oftmals chaotische Zeit
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Eine ganze Woche feierte der Nil-Klub am Neuen Palais Geburtstag, jeden Abend mit einer Veranstaltung – und am Samstag belohnte man sich einfach selbst: „Geschlossene Veranstaltung“ stand am Eingang, die Geburtstagsfeier war nur den Mitgliedern und Zeitgenossen vorbehalten. Aber sie sollte auch eine Reise zurück in die Zeit sein: Als die Band Dream Diver für ein exklusives Reunion-Konzert die Bühne betrat, fühlte man sich zurückkatapultiert in die Zeit, als alles im Nil begann. Dream Diver gibt es schon lange nicht mehr, aber damals, 1999, als der Nil seine Pforten öffnete, war die Band noch eine ganz große Nummer.
Ganz neu war die Idee eines studentischen Klubs in den Kellergewölben am Neuen Palais nicht, bereits zu DDR-Zeiten gab es Veranstaltungen in den Kellerräumen, bevor der Allgemeine Studierendenausschuss AStA die Räumlichkeiten übernahm. „Einmal kam ein älteres Pärchen mit einer ungefähr 20-jährigen Tochter hier rein“, erinnerte sich am Samstag zum Beispiel Tino Rothe. Der Vater deutete Richtung „Kuschelecke“, in der jetzt ein Kickertisch steht – und sagte zur Tochter: „Schau mal, dort bist du gezeugt worden!“ Rothe ist wenig überrascht: „Das ist auch genau die Ecke, in der wir ab und zu mal Kondome und Schlüpfer wegräumen müssen.“
Dass der Nil-Klub Anfangspunkt für Beziehungen war, kann auch Christiane Schneider bestätigen: „Ich hab Basti an der Uni kennengelernt, er hat im T1 gewohnt, einer der Blöcke vom Studentenwohnheim. Wir sind öfter im Nil-Klub feiern gewesen und haben uns um die Veranstaltungen gekümmert. Deshalb war es keine Frage, dass wir hier auch geheiratet haben.“ 2006 fand die Hochzeit statt, erst ging es zum Standesamt, danach wurde eine Polterhochzeit im Nil gefeiert – im Buga-Park wurden alle Rosen entblättert, damit die Räume dekoriert werden konnten. Aber das war nicht die einzige Hochzeit, die dort gefeiert wurde – an eine kann sie sich besonders gut erinnern: „Das war eine marokkanisch-ungarische Hochzeit, da sind Traditionen aufeinandergeprallt.“
Lars-Henning Strebhardt ist seit zehn Jahren Mitglied im Nil-Klub: „Ich bin nach einer Party am nächsten Morgen aufgewacht, und irgendjemand hatte mir einen ausgefüllten Mitgliedsantrag auf den Bauch geklebt, den ich nur noch unterschreiben musste“, erzählte er. Direkt über dem Nil-Klub war der Raum Nummer 11.09, der Vorlesungsraum für Geschichte. „Freitagmorgens nach den Länderabenden im Klub bin ich oft hier raus, habe die letzten Leute auf die Straße gesetzt, die Tür zugemacht – und bin direkt ins Seminar gegangen.“
Was im Nil gemacht wurde, verstieß gegen alle Theorien der Projektbildung: Oft genug hieß es, man sei pleite und müsse den Laden dichtmachen. 2004 sah es ganz finster aus, erzählte Christiane Schneider: „Wir hatten unzählige Briefe mit Rechnungen, aber keine Ahnung, wie wir die bezahlen sollten.“ Niemand hatte sich um die Finanzen gekümmert, und der Buchhalter vom Nil-Klub, dessen Namen Schneider partout nicht verraten will, kam auf einmal mit einem Pappkarton voller Geldscheine an: Weil er keine Ahnung von Finanzen hatte, bunkerte er das Geld einfach unter seinem Bett. „Plötzlich hatten wir 20 000 Euro in Fünf-Euro-Scheinen.“ Die Rechnungen konnten bezahlt werden und weiter ging es. Dieser chaotische Solidaritätsgedanke hält sich aber bis heute: Innerhalb der vergangenen Woche kamen mit Spendenboxen für den Verein Kulturlobby 800 Euro zusammen, die am Samstagabend überreicht wurden. Elias Franke vom Verein zeigte sich überrascht: „Wir haben beim Fonds Soziokultur einen Fördermittelantrag gestellt über 5000 Euro, bei dem wir 800 Euro Eigenanteil bringen müssen. Die haben wir jetzt dank Nil-Klub zusammen.“ Oliver Dietrich
Oliver Dietrich
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