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Klimaskeptiker Reichholf sprach am Einstein Forum

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So kann man es auch sehen: Was ist eigentlich so schlimm am mediterranen Sommer auf der eigenen Terrasse? Am Zitronenbaum, der im heimischen Garten blüht? Am warmen Winter, der angesichts der aktuellen Energiepreise ein Segen für den eigenen Geldbeutel ist? Keine Frage: Vom hedonistischen Standpunkt aus hat der Klimawandel durchaus auch positive Seiten. Erderwärmung – na und?

Für Klima-Hedonisten hat der Zoologe und Evolutionsbiologe Josef H. Reichholf gute Nachrichten: „Warme Zeiten waren historisch gute Zeiten“, erklärte der Abteilungsleiter der Zoologischen Staatssammlung München jüngst im Einstein Forum. Sein Thema: „Klimawandel? Was der Blick in die europäische Geschichte für Gegenwart und Zukunft besagt“.

Der gut besuchte Vortrag beginnt unerwartet: Mit Bildern. Ein Gemälde, das die Krönung Karls des Großen im Dezember 800 zeigt, jenes Kaisers, der seinen Untertanen den Feigenanbau empfahl, wie Reichholf erläutert. Eine Weltkarte aus der Zeit des Feldherren Cato, der den römischen Senat 150 vor Christus zur Zerstörung von Karthago überredete. Eine Europakarte aus der Zeit der Völkerwanderung, als die Goten das Ostseegebiet in Richtung Schwarzes Meer und Westeuropa verließen. Reichholf vermutet hinter den geschichtlichen Ereignissen eine Ursache: Das Klima.

Denn das war nie stabil, wie er auch in seinem Buch „Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends“ darlegt. Der Biologe findet Hochwässer, die schlimmer waren als die Rheinfluten unserer Tage, Sommer, die den „Jahrhundertsommer“ 2003 übertrafen und Winter, die milder waren als der diesjährige. Vogeljunge im Februar, Kirschen im März, Getreide im Mai: Alles nichts Neues.

Die Quellenlage für die Zeit vor Beginn der systematischen Wetteraufzeichnung im 19. Jahrhundert bleibt dabei jedoch diffus: Die Wetterdaten seien „kulturhistorisch nachvollziehbar“, erklärt Reichholf und zitiert Gemälde und Chroniken. So originell und unterhaltsam diese Herangehensweise ist, bleibt sie doch beliebig: Denn unklar ist nicht nur, ob beispielsweise ein Bild von Pieter Bruegel, das auf das Jahr 1656 datiert wird, tatsächlich etwas über das Wetter in diesem Jahr aussagt. Fraglich ist auch, wie repräsentativ solche Daten sind.

Skepsis ist daher angebracht, wenn der Biologe Temperaturkurven für die Zeit vor der Wetteraufzeichnung präsentiert – zumal er betont, dass er „von den Modellen selbst“ nichts verstehe. Seine Interpretation wirkt verzettelt: Mal gibt es gar keine Erwärmung, mal ist sie zu unbedeutend, als dass sie sich „für die Natur“ auswirken könne. Was Klimaforscher heute weltweit beobachten, sei „keine Entwicklung, die mit dem Klimawandel zusammenhängt“, glaubt Reichholf. Nachvollziehbar wird die Behauptung nicht.

„Reichholf sucht sich die Dinge heraus, die in seine Argumentation passen und lässt die weg, die es nicht tun“, konterte Prof. Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) auf Anfrage. Auch wenn klimatische Änderungen erdgeschichtlich nichts Neues sind, sei die heutige Gesellschaft „gegenüber Witterungsextremen anfälliger als frühere Generationen“, betont er und erinnert an den Schneewinter 2005: Im November waren um Münster 250 000 Menschen zum Teil tagelang ohne Strom geblieben.

Das Einstein-Publikum dagegen meinte es gut mit Reichholf: Ein Zuhörer dankt ihm dafür, dass er „die hysterische Diskussion ein bisschen relativiert“ habe, ein anderer vermutet hinter der Klimawandel-Theorie gar eine „Mafia unter den Wissenschaftlern“. Die Antwort auf die Frage nach dem menschengemachten Anteil an der Erderwärmung bleibt Reichholf schuldig. Stattdessen wettert er weiter gegen Energiepreiserhöhungen, die Energiesparer bestraften.

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