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Von Ariane Lemme: Alltag in der Glitzerwelt

Zirkus „Probst“ gastiert seit gestern in Potsdam – unter den Zirkusleuten lebt ein Liebespaar

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Regine Wohlfahrt ist kein Zirkuskind. Ihr Vater ist Lehrer, die Mutter Ärztin, sie selbst machte eine Ausbildung zur Physiotherapeutin im sächsischen Zittau. Als dort der Zirkus „Probst“ gastierte, ging sie zunächst nicht hin, im Gegenteil, sie schimpfte sogar über die fehlenden Parkplätze. Abends, in der Kneipe, lernte sie eine Gruppe junger Zirkusleute kennen, doch als die sie zur Vorstellung einluden, wimmelte sie zuerst ab. „Das ist doch eher was für Kinder, habe ich gesagt“, erinnert sich Regine Wohlfahrt. Schließlich ging sie doch – und verliebte sich sofort in die Stimme von Marko Morling, der die Show moderierte. Er und Regine tauschten Telefonnummern, der Zirkus zog weiter. Seit gestern gastiert der Zirkus nun in Potsdam, am Bornstedter Feld.

Zwischen Marko Morling und Regine Wohlfahrt entwickelte sich eine Fernbeziehung, sie entschied sich gegen eine Festanstellung in einer Reha-Klinik und für das Zirkusleben. „Ich habe das nie bereut, aber ich bin schon froh, dass ich damals noch eine verrückte junge Frau war, heute, mit 27, würde ich vielleicht anders entscheiden“, meint sie. Dabei war es anfangs durchaus hart für sie, sich im eher rauen Zirkusalltag zu behaupten: „Wenn jemand Neues dazukommt, gibt es immer Vorurteile, auf beiden Seiten“, sagt Marko Morling. Regine Wohlfahrt findet das im Rückblick nicht so schlimm, am Anfang werde doch in jedem Job die „Hackordnung“ neu ausgehandelt, findet sie. Für ihre Beziehung ist das gemeinsame Leben im Zirkus von Vorteil, auch wenn man im Campingwagen nach einem Streit nicht einfach die Tür hinter sich zuknallen kann: „Man entfremdet sich aber auch nicht so schnell, und teilt mehr Erfahrungen miteinander“, befinden beide.

Auch Marko Morling selbst ist nicht im Zirkus aufgewachsen. Aber für ihn war schon als Kind klar, dort will er hin. Als Artist. In der DDR war das jedoch nicht ganz einfach, für eine Ausbildung an einer Artistenschule waren seine Noten in Staatsbürgerkunde zu schlecht. „Die nahmen nur die Hundertprozentigen, weil Artisten auch zu Auslandsengagements reisen durften“, erklärt Morling. Seine einzige Chance war daher, bei seinem Onkel Rudolf Probst anzufangen, der den Zirkus „Probst“ 1945 gegründet hatte. Mittlerweile ist Morling seit 20 Jahren dabei, heute moderieren er und Regine Wohlfahrt die Shows gemeinsam. Doch beim Zirkus hat niemand nur einen Job, so verwaltet Marko Morling nebenbei auch noch den gesamten Fuhrpark, Regine verkauft in den Pausen kleine Plüschtiere.

Und dann ist da stets noch eine Frage: Sind wilde Tiere tatsächlich nötig für einen modernen Zirkus? Marko Morling kann da kein Problem erkennen, „wir halten unsere Tiere den Bestimmungen entsprechend, da ist alles in Ordnung“. Das bestätigt gestern auch eine unangemeldete Prüfung durch das Veterinäramt.

Anders sehen es nach der Premierenvorstellung gestern ein Vater mit seiner Tochter. Die Dreijährige sagt, sie finde die Clowns ohnehin spannender als Dromedare und Zebras. Und ihr Vater meint zum Einsatz der Tiere: „Die gehören doch eigentlich in ihre natürliche Umgebung in den afrikanischen Ländern.“

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