Landeshauptstadt: Als kleiner Junge „Little Boy“ überlebt
Zeitzeugen des ersten Atombomben-Abwurfes übergaben Spende für Stele auf Babelsberger Hiroshima-Platz
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Babelsberg/Hiroshima - Hidenori Yamaoka war ein kleiner Junge von drei Jahren und vier Monaten. Am 6. August 1945 hielt er sich nicht in seinem Elternhaus in Hiroshima auf. Er war zu Besuch bei seinem Großvater. Als die Bombe um 8 Uhr, 15 Minuten und siebzehn Sekunden Ortszeit über der Stadt mit einem charakteristischen Atompilz explodierte, fegten Druckwelle und Feuersbrunst innerhalb von zwei Kilometern „alles hinweg“. Das Haus seiner Eltern stand eineinhalb Kilometer vom Epizentrum entfernt. Seine Eltern und seine Geschwister starben. Im Haus seines Großvaters, vier Kilometer entfernt, überlebte Hidenori Yamaoka. Die Amerikaner hatten der Hiroshima-Bombe vor dem Abwurf einen Namen gegeben – „Little Boy“, kleiner Junge.
Gestern nahm Hidenori Yamaoka an einer Feier zum Gedenken an die Opfer der Atombomben-Abwürfe von Hiroshima und Nagasaki auf dem auf Beschluss der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung so benannten Hiroshima-Platz in Babelsberg teil. Während der Potsdamer Konferenz im Juli 1945 hatte US-Präsident Harry S. Truman in einer heute umgangssprachlich nach ihm benannten Villa gegenüber des jetzigen Hiroshima-Platzes die Entscheidung zum Abwurf der Atombomben getroffen oder zumindestens vorbereitend diskutiert.
Auch Sumiko Nakamura besuchte gestern den Ort in Babelsberg, der mit ihrer Heimatstadt historisch so eng verknüpft ist. Sie war 1945 zwölf Jahre alt und besuchte am 6. August die sechste Volkshochschulklasse. Durch den Krieg fielen die Sommerferien aus. Da die Militärs zeitweise die Schulen Hiroshimas in Beschlag nahmen, mussten die Schüler Lernpensum nachholen. Sumiko Nakamuras Schule lag nördlich des Epizentrums hinter einem Berg, der sie schützte. „In südliche Richtung sah ich das Geschehnis“, übersetzte gestern die Dolmetscherin. Sumiko Nakamura berichtete, dass schwarzer Regen vom Himmel fiel und die Fische im Fluss tot auf der Wasseroberfläche schwammen.
Die Delegation aus Hiroshima übergab während der Gedenkfeier gegenüber der Truman-Villa eine Spende über 700 Euro (100 000 Yen) an Jens-Peter Steffen von der deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW e.V.). Diese Organisation sammelt Spenden, um damit eine Gedenkstele am Hiroshima-Platz zu finanzieren. Der vorgeschlagene Stelentext war im Kulturausschuss von CDU-Stadtverordneten als anti-amerikanistisch kritisiert worden. Er lautet: „Während der Potsdamer Konferenz der alliierten Großmächte vom 17. Juli 1945 bis zum 2. August 1945 hat der damalige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Harry S. Truman, in der gegenüber liegenden Villa ,little White House“ gewohnt. In diese Zeit fällt der Befehl des Präsidenten vom 24. Juli 1945 zum Abwurf der Atombomben. Ihre zerstörerische Kraft brachte vielen tausendfachen Tod und entsetzliches Leid über die Menschen.“
Während eines Vorab-Empfangs der Delegation im Stadthaus und auch in seiner Rede auf dem Hiroshima-Platz warnte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs vor den nicht gebannten atomaren Gefahren. Es gebe noch 28 000 Atomwaffen auf der Welt. Daher habe er sich der Bewegung „Bürgermeister für den Frieden“ angeschlossen, deren führender Repräsentant sein Amtskollege aus Hiroshima ist. Die Namensgebung „Hiroshima-Platz“ ist Jakobs zufolge ein Bekenntnis Potsdams für das Ziel einer atomwaffenfreien Welt im Jahr 2020. Der Oberbürgermeister erinnerte daran, dass die Atombombe eigentlich für den Einsatz gegen Deutschland entwickelt wurde, die Bombe jedoch nicht vor Kriegsende fertig wurde. Während Deutschland am 8. Mai 1945 kapitulierte, erfolgte erst am 16. Juli 1945 der erste Atomwaffen-Test bei Alamogordo, New Mexiko (USA). Die Potsdamer Konferenz, an der US-Präsident Truman teilnahm, begann einen Tag später auf Schloss Cecilienhof.
Einer der Initiatoren der Platz-Benennung, der Stadtfraktions-Vorsitzende der Bündnisgrünen Peter Schüler, nannte es unerheblich, ob Truman den Befehl zum Bombenabwurf in Potsdam gab. „Hier hat sich Truman durchgerungen, den Befehl zu geben“, so Schüler. In einer Welt, in der Militärs über den Einsatz von „taktischen, kleinen Atomwaffen“ nachdenken und wo neue Atomstaaten entstehen oder wie Iran nach Atomwaffen streben, sei die Namensgebung „Hiroshima-Platz“ eine „richtige und wichtige Entscheidung“.
Spenden unter dem Kennwort „Gedenkort Hiroshimaplatz Potsdam“ sind zu richten an IPPNW e.V. bei der Sparkasse Rastatt-Gernsbach, Konto-Nummer: 600 150 47; BKL: 665 500 70.
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