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Landeshauptstadt: Als Vater fünfmal anrief

Heinz Eckner erlebte die Potsdamer Bombennacht vom 14. April als sechsjähriger Junge in Neu Fahrland

Stand:

Heinz Eckner erlebte die Potsdamer Bombennacht vom 14. April als sechsjähriger Junge in Neu Fahrland Kurz vor Kriegsende, am 14. April 1945, wurde Potsdam Ziel eines verheerenden britischen Luftangriffes. Aus Anlass des 60. Jahrestages des Bombardierung schildern sechs Zeitzeugen in einer PNN-Serie, wie sie die Nacht des 14.April er- und überlebt haben. Heute: Heinz Eckner, geboren 1938 in Potsdam, aufgewachsen in Neu Fahrland, wo er heute noch wohnt. Der promovierte Meteorologe sagte in den 70er Jahren live im DDR-Fernsehen das Wetter an. Den Bombenangriff erlebte er als Sechsjähriger in Neu Fahrland. Es war ein Tag wie jeder andere für mich. Wir hatten häufig Fliegeralarm. Soweit ich jetzt weiß, war es etwa der 300. Fliegeralarm in Potsdam und Umgebung und 300 Mal ist nichts passiert, von einzelnen Bomben abgesehen. Deshalb nahm man so einen Fliegeralarm gar nicht mehr so ernst, aber als Kind kriegte man dann Angst, wenn es hieß, ab in den Keller. Und da fing man an nachzudenken, was passiert denn, wenn jetzt “ne Bombe kommt Wir hatten mit meinem Vater ein Warnsystem ausgedacht. Mein Vater war zur Polizeireserve in Potsdam eingezogen worden und wusste immer etwas früher als alle anderen, wann Alarm gegeben wird und er hatte auch Hintergrundinformationen. Wenn sich die Stärke des vermuteten Luftangriffes durch besonders große anfliegende Bombereinheiten abzeichnete, oder Potsdam offensichtlich das Ziel des Angriffs werden würde, dann wollte Vater fünfmal hintereinander anrufen und jeweils danach gleich wieder auflegen. Er durfte ja sein Wissen nicht privat nutzen. Das war ein Geheimcode und der kam nur einmal zur Anwendung: am 14. April 1945. Spät abends kam fünfmal der Anruf und da wussten wir, diesmal wird“s ernst. Wir sind dann also nicht wie sonst zuerst in die Küche gegangen und haben gehorcht, ob Flugzeuge am Himmel sind und sind dann in den Keller gegangen, sondern gleich in einen kleinen Bunker hier auf dem Grundstück. Weil wir wussten, wenn wir da einen Volltreffer kriegen ist eben Schluss. Aber sonst kann uns nichts passieren und wir kommen wieder raus. So gegen 22Uhr gingen wir also auf den Hof raus, nach diesem Anruf, da sahen wir, der gesamte Himmel im Norden Potsdams ist hell erleuchtet von den Christbäumen, Leuchtsignale für die Bomber. Es war aber noch ruhig und es sah irgendwie schön aus, für ein Kind jedenfalls. Ab und zu sah man Flakscheinwerfer, die suchten den Himmel ab. Es war aber noch nichts zu sehen und auch kein Motorenlärm zu hören. Es war so unheimlich, diese Beleuchtung, dass wir sofort an die Hand genommen wurden und in den Bunker gingen. Es wurde die Tür zugemacht. Da saßen wir dann und grübelten. Trotz der eineinhalb Meter Erde, die über uns war, hörten wir Flugzeuggeräusche. Aber nicht mehr als sonst. Wir blieben trotzdem im Bunker, bei Kerzenschein. Wir hatten ein Detektorradio – ein Radio, das ohne Stromquelle auskommt. Und wir hatten eine Landkarte für die Luftlagemeldung. Es hieß im Radio in etwa, „feindliche Bomberverbände in Planquadrat A 13“ oder so. Das kannte man, dann hat man also geguckt, ach das ist Köln. Und dann, eine Viertelstunde später, kam C27, dann war es Hannover, und dann sah man, dass die eine Richtung flogen – über Magdeburg, nach Potsdam. Und dann gab“s nichts mehr zu hören. Nach einer Stunde, so gegen 23 Uhr, ging jemand raus und sagte, Potsdam brennt. Wir sahen, am Südhimmel war es hell, es war das Licht einer brennenden Stadt. Wir hatten eine relativ freie Sicht, denn das Nedlitzer Holz war damals niedriger, es ist ja 60 Jahre her. Man konnte die Brände sehen, nicht die Stadt. Mein Vater hatte Dienst im Polizeipräsidium. Er hat gesehen, wie die Garnisonkirche durch Funkenflug anfing zu brennen. Sie hatte in dem Bombenhagel nichts abgekriegt. Ringsum waren alle Häuser schwer getroffen und brannten. Er sagte, man hätte mit einem Eimer Wasser den Turm, der anfing zu brennen, löschen können. Und später, durch den höllischen Brand der benachbarten Häuser, fing dann auch das Kirchenschiff an zu brennen. Mein Vater konnte nicht helfen, er durfte seinen Platz im Polizeipräsidium nicht verlassen. Und geradezu absurd war – am Stadtkanal standen Unmengen von Feuerwehrpumpen bereit, die aber nicht zur Rettung der Garnisonkirche eingesetzt wurden. Angst um meinen Vater, der ja da war, wo es brannte, hatte ich eigentlich nicht. Er war für mich als Kind so ein Berg von Mann, der für mich nicht angreifbar schien. aufgeschrieben von Guido Berg

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