
© Olaf Möldner
Sport: Alte Judo-Reflexe
Der UJKC Potsdam unterliegt personalgeschwächt mit 6:8 im Derby gegen den JC Frankfurt(Oder)
Stand:
Jan Gosiewski holte den Spaten raus. Symbolisch nur, natürlich, aber die Geste konnte jeder deuten. „Grave digger“ nennt er sie selbst, übersetzt Totengräber. Es ist seine Geste nach dem Ippon, die die 500 Zuschauer damit noch stärker in Stimmung versetzte. „Die Beziehung zu den Zuschauern ist sehr wichtig, auch für die Kämpfer nach mir“, sagte Gosiewski.
Mit Ippon, der kampfentscheidenden ganzen Wertung im Judo, hatte Gosiewski seinen zweiten Kampf gegen Peer Schweder gewonnen. Sein Erfolg im viertletzten Kampf gab dem UJKC Potsdam am Samstag noch einmal Hoffnung, vor heimischem Publikum in der Bundesliga gegen den JC 90 Frankfurt/Oder doch noch zu einem Unentschieden zu kommen. Am Ende aber stand eine 6:8 (48:80)-Niederlage. Jetzt entscheidet sich in zwei Wochen beim Kampf in Bottrop, ob der UJKC um die Meisterschaft kämpft oder in die Abstiegsrelegation muss.
An Gosiewski, einem der beiden möglichen ausländischen Gaststarter am Samstag, wurden dabei die personellen Probleme deutlich, die die Potsdamer Judoka zu meistern hatten. Die stärksten Ausländer weilten beim Grand Prix in Budapest, die Potsdamer Junioren Philipp Galandi und Martin Setz beim Trainingslager der Nationalmannschaft im kasachischen Astana. „Am Ende entscheidet, wie die Ausländer punkten“, sagte Trainer Mario Schendel, „wir geben zwei Kämpfe ab, Frankfurt nur einen.“
Der Trainer musste viel improvisieren: Gosiewski, ein Brite mit polnischen Wurzeln, startete in der (höheren) Gewichtsklasse bis 81 Kilogramm, zum ersten Mal, wie er sagte, „es war eine neue Herausforderung“. Dafür hatte er extra vier Kilo zugenommen. Eine Herausforderung, der sich der 26-Jährige gern stellte. „Ich mag das Team und ich mag die Atmosphäre hier in Potsdam“, sagte er. Es ist sein erstes Jahr in Potsdam, im April vergangenen Jahres lernte er UJKC-Trainer Mario Schendel bei einem Vorbereitungscamp für die Europameisterschaft kennen, im Dezember erreichte ihn der Anruf, ob er nicht für die Potsdamer starten will.
Gosiewski sagte zu. In der Bundesliga ist er längst kein Unbekannter. 2007 kämpfte er erstmals für Braunschweig – und trat damals im ersten Kampf gegen René Schendel, den Bruder des UJKC-Trainers, an. Aber Gosiewski ist nicht nur in der Bundesliga als Gaststarter aktiv. Auch für einen spanischenVerein war er gemeldet. Als die drei Wettkampftage – anders als in Deutschland kämpfen dann weit mehr als zwei Teams gegeneinander – anstanden, musste er aber wegen einer Verletzung passen.
Mit einer anderen Herausforderung musste der andere UJKC-Gaststarter am Ende umgehen: alte Regeln, mit denen man Judo gelernt hat. Der Griff ans Bein, seit einigen Jahren verboten, um den Sport attraktiver zu machen, wurde Andreas Mitterfellner zum Verhängnis. Der 33-jährige Österreicher (Gewichtsklasse bis 73 Kilogramm), der zweimal Dritter bei Europameisterschaften wurde, hatte im ersten Kampf gegen Grzegorz Lewinski bereits nach 53 Sekunden durch Ippon gewonnen, ehe er im zweiten Kampf den einstmals erlaubten Griff tätigte. Nach intensiver Videoschau entschieden die drei Mattenrichter auf Disqualifikation.
Von Trainer Schendel gab es keinen Vorwurf, er freute sich vielmehr über die Unterstützung des Österreichers, der ebenfalls in einer höheren als seiner üblichen Gewichtsklasse antrat. „Er ist ein sehr guter Freund von Yvonne Bönisch, und er hatte noch eine Wette offen“, erzählte Schendel. Und lobte: „Er hat es gut gemacht.“
UJKC Potsdam - JC 90 Frankfurt/Oder 8:6 (80:48)
1. Durchgang (UJKC-Kämpfer zuerst): Lehmann - Twordzyd 0:1, Mitterfellner - Lewinski 1:0, Kopiske - Ehrmann 1:0, Goswieski - Schweder 0:1, Pufahl - Borkowski 0:1, Schubert - Strohschein 1:0, Schwisow - Onufriev 0:1
2. Durchgang: F. Galandi - Twordzyk 0:1, Mitterfellner - Czybulka 0:1 Disqual., Kopiske - Ehrmann 1:0, Goswieki - Schweder 1:0, Böhme - Pille 0:1 kampflos, Schubert - Soch 1:0, Schulz - Onufriev 0:1
Ingmar Höfgen
Ingmar Höfgen
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