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Potsdamer Studentenkneipen: Das Pub à la Pub ist umgezogen

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Potsdamer Studentenkneipen: Das Pub à la Pub ist umgezogen Von Matthias Hassenpflug Legt man im neuen Pub à la Pub den Kopf auf den Tresen, was ein gar nicht so ungewöhnliches Verhalten in einer Studentenkneipe zur vorgerückten Stunde sein muss, hat man ein ganz bizarres Bild vor Augen. Weil die Oberfläche der Bar aus einem geriffelten Blech gearbeitet ist, das man eigentlich nur als Fußbodenbelag aus Bereichen kennt, in denen es hemdsärmelig zugeht wie in Billig-Discountern oder Schlachtereien, hat man den Eindruck, man läge auf dem Boden. Obwohl man ja weiß, dass man auf einem der bestimmt zwanzig Barhockern sitzt. Ruht also der Kopf auf diesem Blech, schaut man auf mindestens fünf gläserne Kühlschränke, in denen alle möglichen Sorten von Flaschenbier stehen. Viele bunte Flaschen, auch rote, gelbe und orange Bionade-Flaschen. Es ist ein wohl geordnetes Sortiment, auf das man da schaut. Das Licht der großen Kühlschränke fällt auf das studentische Personal in schwarzen T-Shirts, das geschäftig die gläsernen Türen öffnet, um einem Gast schnell ein Getränk zu bringen. Etwas fahl auch das Licht hinten im lang gezogenen Gastraum. Dort sitzen an großen, dunkelrot gebeizten Holztischen immer gleich sechs Studenten. Die meisten Jungs, die meistens mit Pferdeschwanz und eher aus den nicht-ganz-so-intellektuellen Studiengängen. Im alten Pub à la Pub hatten die Sportwissenschaftler, die Spowis, das Sagen. Das Pub à la Pub in der Breiten Straße ist – bis das Kulturzentrum in den Elfleinhöfen eröffnet – seit vielen Jahren der einzige Ort in der Innenstadt, an dem man auf studentische Geselligkeit treffen kann. Auch wenn es kürzlich umgezogen ist, von einem Ende der Breiten Straße zum anderen ins ehemalige Musikhaus, hat sich nicht wirklich etwas geändert. Das heißt, das Bier ist hier immer noch billiger, weil der studentische Verein – ganz anders als der Schein der Kühlschränke vermuten lässt – keine kommerziellen Ziele verfolgt. Er kümmert sich an jedem Abend der Woche (und darüber hinaus auf einer liebevoll gestalteten Internetseite mit virtuellem Dienstplan und Diskussionsforen) um die studentische Unterhaltung. Es gibt Spieleabende, Lesungen und Konzerte. Wie schon im alten Glaskasten, dort, wo man einst für eine abgelieferte alte Jeans ein Freigetränk bekam. Die alten Buxen wurden an die Decke genagelt, was einiges über den Humor der Mitarbeiter, die sich vielleicht auch deswegen untereinander spaßeshalber „Pubse“ nennen, aussagt. Man saß also beim Bier unter Hosenböden. Zum Glück hat man die beim Umzug nicht mitgenommen. Das „neue“ Pub à la Pub hat exakt dieselben Ausmaße wie das alte. Kein Wunder, es befindet sich auch in einem dieser den Plattenmehrgeschossern vorgesetzten Glasbauten, die sich wie überdimensionierte Balkons auf den Bürgersteig der Breiten Straße schieben. Nur, dass hier die Schaufensterscheiben nicht kupfern schimmern. Wären die neuen nicht dreiviertelhoch mit Folie beklebt, säße man völlig ungeschützt beinahe mitten auf dieser vierspurigen Asphaltbahn. Lichtmasten, Kantsteine und kahle Fassaden in träger Ruhe. Zurück zum Kopf, der immer noch auf dem aus Bierkisten zusammen gebauten Tresen belassen wurde und immer noch denkt: wie bizarr, ich liege eigentlich auf dem Boden in einem Supermarkt. Und im Rücken diese trostlose Verkehrsader, über die abends nur ab und zu ein Fahrzeug rast. Oft eine Feuerwehr im Einsatz, denn in der Nähe hat sie ihre Zentrale. In diesem Zustand will man einfach eines der Biere, die da hinter dem Glas stehen, man freut sich über dieses heimelige Weinrot, in dem die Wände gestrichen sind. Es ist dieselbe warme Farbe, in der jeder gute Coffee-Shop heutzutage gestrichen sein muss. Man will gleich noch eine Frikadelle mit Kartoffelsalat essen, die wirklich nur einen einzigen Euro kostet. Man ist ja eigentlich am Boden, immer noch.

Matthias Hassenpflug

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