Landeshauptstadt: „Am Tage Rost klopfen, abends Probe“
Katrin Schüring und Sebastian G. Bandt über die Stadt-Spiel-Truppe und das Theaterschiff
Stand:
Nach 15 Jahren spielerischer Leitung durch Wilfried Mattukat haben Sie jetzt die Stadt-Spiel-Truppe übernommen. In welcher Verfassung befindet sich die Truppe?
Sebastian G. Bandt: Im Moment in einer richtig guten. Es gab einen großen Ruck durch die geplanten Kürzungen (Der Stadt-Spiel-Truppe wurden 2007 die Betriebskostenzuschüsse von 60 000 auf 45 000 gekürzt, Anm.d.Red.). Da ist viel passiert. Natürlich rutscht man durch eine Bedrohung enger zusammen. Wir haben tolle Besucherzahlen.
Katrin Schüring: Die Auslastung liegt bei 80 Prozent.
Haben die aktuellen Zuschauerzahlen vielleicht auch mit den geplanten Kürzungen und den damit verbundenen Protestaktionen zu tun, weil dadurch die Öffentlichkeit stärker auf die Stadt-Spiel-Truppe aufmerksam wurde?
Bandt: Nein. Dass das Theater gut läuft und gut besucht wird, ist schon ein älteres Phänomen.
Schüring: Wir haben ein breiteres Angebot. Die Anzahl der Stücke ist gestiegen, die Stadt-Spiel-Truppe hat in Potsdam mittlerweile ein Stammpublikum. Und die Lokalität, der Kulturstandort Theaterschiff, ist auch für Touristen reizvoll.
Wie setzt sich die derzeitige Finanzierung für die Stadt-Spiel-Truppe zusammen?
Schüring: Die ruht auf drei Säulen. Da ist zuerst die Stadt, dann kam in diesem Jahr die Staatskanzlei hinzu, die 5000 Euro dazugegeben hat und ein Großteil ist die Eigenbeteiligung (Eintritt und Spenden). Die liegt bei 62 Prozent.
Und wie sieht die Finanzierung für das kommende Jahr aus?
Schüring: Das ist die große Frage. Uns fehlen schon jetzt 15 000 Euro jährlich, um zu überleben. Wir wissen noch nicht, wie wir das schaffen. Das Geld, das wir für dieses Jahr bekommen haben, gab es nur auf Probe.
Bandt: Wir bekommen eine experimentelle Förderung. Nach 15 Jahren Stadt-Spiel-Truppe und 11 Jahren Theaterschiff, das ist einfach albern.
Die kulturpolitischen Konzepte, über die derzeit in Expertenrunden diskutiert wird, sollen in dieser Hinsicht ab 2008 für fünf Jahre die Förderpolitik der Stadt gestalten.
Schüring: Es heißt, wir können nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip die Mittel verteilen. Darum wurde versucht, mit wissenschaftlichem Anspruch Kultur zu bewerten. Mit Hermann Voesgen hatte die Verwaltung einen Professor für Kulturmarketing und -management damit beauftragt, der nur einmal kurz auf dem Theaterschiff war, die Kneipe gesehen hat und zu dem Schluss kam, das läuft ja super, wozu brauchen die Geld. Dass wir kein eigennütziger Verein sind und die Stadt-Spiel-Truppe sich nicht durch die Kneipe finanziert, hat er nicht begriffen.
In dem Evaluations-Bericht der Freien Kultur-Träger der Stadt Potsdam von Hermann Voesgen heißt es aber auch, Potsdam hat zu viel Theater.
Schüring: Ja, aber das Theater wird doch auch angenommen. Diese Evaluation von Hermann Voesgen hat es geschafft, dass jeder Freier Träger fast nur noch versucht hat, sich selbst zu retten. Natürlich ist es problematisch, zu beurteilen, was ist gute und was ist schlechte Kunst. Genauso problematisch finde ich diese so genannten Expertenrunden, die jetzt über die kulturpolitischen Konzepte diskutieren. Wer entscheidet denn, wer in der Kultur ein Experte ist?
Bandt: In diesem Bericht tauchen teilweise freche Vokabeln auf wie, die Stadt-Spiel-Truppe hätte keine künstlerische Ausstrahlung. Was ist das für eine Herangehensweise? Wissenschaftlich auf keinen Fall. Da will ich einen Dialog haben, der auf Augenhöhe stattfindet.
Ist denn im Rahmen der aktuellen Diskussionen über die kulturpolitischen Konzepte jemand seitens der Verwaltung oder der Experten an Sie herangetreten?
Bandt: Nein.
Schüring: Nein. Aber ich habe jetzt an Frau Seemann (Fachbereichsleiterin für Kultur und Museum. Anm. d. Red.) eine Einladung geschickt und hoffe, dass es zu einem Gespräch kommt.
Gibt es überhaupt einen Dialog auf Augenhöhe zwischen Stadt-Spiel-Truppe und Verwaltung?
Bandt: Als uns die Kürzungen drohten, ist mit der Kulturbeigeordneten Gabriele Fischer und Frau Seemann ein Dialog entstanden. Daraus hat sich auch eine gute Zusammenarbeit entwickelt.
Schüring: Dadurch konnten einfach auch Vorurteile abgebaut werden.
Bandt: Aber ich hoffe, dass es dafür nicht immer kurz vor dem Untergang stehen muss, dass es da zu einer Kontinuität kommt.
Schüring: Es muss auch langsam anerkannt werden, dass das Theaterschiff das Schiff der Stadt-Spiel-Truppe ist. Das kommt immer wieder hoch: Ihr leistet Euch ja ein Schiff. Aber das haben wir aufgebaut und ohne Stadt-Spiel-Truppe gibt es kein Theaterschiff.
Wie kam es zu der Verbindung Theaterschiff und Stadt-Spiel-Truppe?
Bandt: Die Stadt-Spiel-Truppe wurde 1992 anlässlich der 1000-Jahrfeier Potsdams gegründet. Danach blieb die Truppe zusammen, weil es so gut lief. Die sind vier Jahr rumgetourt. Dann wollten sie aber einen festen Spielort und da kam die Idee, das Schiff auszubauen.
Schüring: Das war 1994 in Spandau.
Bandt: 4500 Arbeitsstunden haben wir investiert. Am Tage Rost geklopft, abends geprobt.
Wer gehört alles zur Stadt-Spiel-Truppe?
Bandt: Ganz unterschiedliche Leute. Zu uns gehören Lehrer und Studenten.
Schüring: Auch Anwälte, bei uns ist alles mit dabei. Die Jüngste ist 21, der älteste ist 74. Insgesamt sind wir 33.
Wie ist das zu schaffen mit Leuten so ein Schiff zu unterhalten, zu warten und dann noch Theater zu machen, die sich eigentlich nur in ihrer Freizeit engagieren können?
Bandt: Es gibt Leute die angestellt sind. Die Geschäftsführung, die künstlerische Leitung, der Kneipenchef, der technische Leiter und dazu noch Honorarkräfte. Diese Bereiche müssen professionell betrieben werden.
Was macht die Arbeit mit Laienkünstlern aus?
Bandt: Ich war am Profitheater in Cottbus, was auch schön war. Aber mit Leuten zu arbeiten, die immer wieder etwas aus dem Alltag mitbringen, das ist was Besonderes. Und die Energie reißt nicht ab, das erstaunt mich immer wieder an der Truppe. So ein Schiff aufzubauen und zu bespielen und dass das über 15 Jahre funktioniert. Das kann man schon gar nicht mehr Hobby nennen.
Zum Programm der Stadt-Spiel-Truppe gehört die jährliche Schiffstour.
Bandt: Ja. Dieses Jahr geht die Tour vom 17. Juni bis zum 7. Juli nach Poznan in Polen. Die wird ein Riesenakt. Wir fahren ja nicht nur mit dem Schiff, denn wir machen eine Riesenproduktion zum Thema Wasser mit einer polnischen Gruppe zusammen.
Und wie geht es danach weiter?
Bandt: Im Juli werden wir mit „Winter unterm Tisch“ eine neuen Produktion beginnen, die Ende Oktober Premiere haben soll.
Schüring: Zwischendurch gibt es noch ein kleines Sommertheater.
Bandt: Wir haben auch mit Schultheater angefangen. Funktioniert wunderbar, die bisherigen drei Vorstellungen waren ausverkauft.
Schüring: Und dann beginnt ja noch die Knasttour durch Niedersachsen.
Eine Knasttour?
Bandt: In Brandenburg haben wir ja schon alle Knäste durch. Darum werden wir im August in vier Gefängnissen in Niedersachsen auftreten.
Also Theater im Knast?
Bandt: Ja, wobei wir das verbinden. Einen Abend im Knast und den nächsten Abend in der Stadt auftreten.
Wie kam es zu der Idee, im Knast Theater zu spielen?
Bandt: Das ist durch das Stück „Männer“ entstanden, das bei uns im Knast spielt. Und bei der Projektförderung sprang das Justizministerium ein mit der Bitte, dass wir das Stück auch mal im Knast vorspielen. Zuerst haben wir einen Schreck bekommen. Wir können doch nicht in den Knast fahren und den Leuten vorspielen, wie es im Knast ist. Da kriegen wir doch auf die Fresse.
Und gab es Prügel?
Bandt: Das erste Mal sind wir im Brandenburger Knast mit „Männer“ aufgetreten.
Schüring: Da gab es auch noch einen Stromausfall und wir haben im Dunkeln gespielt.
Bandt: Da hatten wir wirklich Angst. Aber die Leute waren begeistert.
Das Gespräch führte Dirk Becker
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: