
© HPI/Kay Herschelmann
Von Richard Rabensaat: Anders herum gedacht
Patrick Baudisch schafft Innovationen für die Mensch-Maschine-Interaktion
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„Johannes Kepler hat geschaut, wie die Sterne funktionieren, wir aber überlegen wie die Kommunikation zwischen dem Computer und dem Menschen verläuft“, beschreibt Patrick Baudisch sein Fachgebiet. Der Informatiker steht vor einer Tafel, auf der er die Ergebnisse eines Brain-Stormings festgehalten hat, das er kurz zuvor mit seinen Studenten am Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam vorgenommen hat. Ein quirlig-kreativer Prozess. Gefragt sind am Institut zunächst die zukunftsweisenden Entwicklungsmöglichkeiten der Ideen nicht die Kosten-Nutzen Relation, bemerkt der Professor.
Patrick Baudisch, der gestern an der Universität Potsdam seine Antrittsvorlesung gehalten hat, forscht an der Schnittstelle zwischen Mensch und Computer. „Probleme entstehen heute immer weniger bei der Software oder der Hardware. Die Frage ist vielmehr, wie wir am einfachsten vom Computer die Antworten auf die Fragen bekommen, die uns interessieren.“ Die Human-Computer-Interaction, das Fachgebiet von Baudisch, sei noch eine relativ neue Disziplin in Deutschland, gerade mal eine handvoll von Experten gebe es.
„Mein neuer PC ist ein Handy – Techniken und Technologie für die neue Kleinheit“, hat Baudisch einen Vortrag betitelt, den er kürzlich auf einem Kongress gehalten hat. Entwickler basteln derzeit an Lösungen, bei denen die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine entweder knopfklein oder tanzflächengroß ist. Die Schrumpfung der Computertechnologie stößt bei der Notwendigkeit eine Eingabestelle zu bedienen an eine natürliche Grenze. Deshalb experimentieren die Forscher in Potsdam derzeit mit Displays, die von hinten bedient werden können. Die Finger könnten von der Rückseite viel präziser auf das Bedienungsfeld zugreifen, als es üblicherweise der Fall ist, denn sie verdecken das Sichtfeld nicht. Möglicherweise ließen sich auf diese Weise Handys und andere Geräte auf Knopfgröße schrumpfen, sinniert Baudisch.
Mehrere Jahre hat der promovierte Informatiker für Microsoft gearbeitet, bevor er dem Ruf nach Potsdam folgte. Ideen mit denen er sich schon bei dem amerikanischen Software-Unternehmen beschäftigte, brachte er mit. Der Konzern unterstützt seinen ehemaligen Mitarbeiter und dessen Entwicklungsarbeit auch weiterhin, beispielsweise mit einem Touchscreen Table, der im Handel nicht erhältlich ist.
Auf dem berührungsempfindlichen, tischähnlichen Computer stapeln sich aus Metall gesägte, vierkantige und runde Klötzchen. Durch eine Berührung der Milchglasoberfläche des Tisches zieht Baudisch aus einer Datei ein Foto heraus. Auf diesem postiert er eines der runden Elemente. Wenn er daran dreht, verändern sich die Farbe und die Helligkeit des Fotos. Wenn er den Klotz von einem Foto auf das andere stellt, verändert sich dieses in gleicher Weise. In den Klötzen stecken lediglich simple, lichtleitende Glasfasern und keine diffizile Elektronik. Der Tischcomputer erkennt die runde Form und akzeptiert sie als Steuerungselement.
„Dass der Schirm eine dreidimensionale Form als solche registriert ist neu“, verrät Baudisch. So neu, dass die Studenten eine Einladung zur PDC, der weltweit wichtigsten Entwicklermesse von Microsoft erhielten. Aus den Glasfaserelementen lassen sich in Bauklötzchenbauweise auch Brücken und Gebäude konstruieren. Denkbar wäre demnach ein Einsatz für architektonische Planungen, bei denen der Tischcomputer unmittelbar anhand des Miniaturmodells Aussagen über Standfestigkeit und Statik macht, so der Wissenschaftler. Lumino haben die Entwickler Torsten Becker und Frederik Rudeck das Modell getauft, wie Lumen von Licht und Domino wegen der Bauelemente.
Ähnlich dem Tisch entsteht im Neubau des Hasso-Plattner-Instituts gerade ebenfalls eine berührungsempfindliche Schnittstelle, allerdings in einer Größe von 7,5 Quadratmetern, ein „Interactive Floor“. Unter einer Glasplatte befinden sich ein Projektor, eine Kamera und ein Spiegel mit denen die Bewegungen auf der Oberfläche eingefangen werden. Auch hier fallen Baudisch sogleich eine ganze Reihe von Anwendungsmöglichkeiten ein. Der überdimensionierte Touchscreen könne beispielsweise von Menschen mit den Füßen bedient werden, wenn eine Bedienung des Computers mit der Hand nicht möglich sei.
Die Prototypen für die Innovationen bauen die Ingenieure selbst. Dafür legen die Softwareentwickler auch schon mal selbst Hand an. Um die Klötzchen sägen zu können, haben sie eine Metall-Kreissäge aus dem Baumarkt angeschafft. „Und um an die Glasfasern zu gelangen, haben wir auch schon einige dieser Tischlampen zerlegt, die eigentlich einen künstlichen Sternenhimmel ins Wohnzimmer zaubern“, gesteht Baudisch. Innovation braucht eben ungewöhnliche Entwicklungsmethoden.
Richard Rabensaat
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