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Das Studentenfernsehen Xen.on aus Babelsberg will anspruchsvolle Sendungen produzieren

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Geht es hier wirklich zum Studentenfernsehen? Puppen mit blutverschmierten Gesichtern und aufgerissenen Mündern hängen an den Wänden im Blech-Container 314 auf dem Gelände des Filmstudios Babelsberg. Der Weg durch die schwere Stahltür des Hintereingangs zu den Redaktionsräumen von „Xen.on-Campus Television“ im ersten Stock führt durch ein Maskenstudio mit abgehackten Köpfen und abgerissenen Gliedmaßen.

Im hellen Redaktionsraum mit der breiten Fensterfront verweht der Eindruck eines Gruselkabinetts. In der Mitte steht ein Spanplattentisch mit alten Polsterstühlen aus DDR-Zeiten, an der Wand hängt eine breite Tafel mit angepinnten Zetteln für die anstehenden Themen von Campus-TV. Angefangen hat der Sender von Studierenden von elf Berliner und Brandenburger Hochschulen im vergangenen Jahr in einem winzigen Raum an der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen (HFF). Doch schnell wuchs der Kreis der Studenten aus allen Fachrichtungen, die eigenes Fernsehen machen wollen. Man zog um in die vier Zimmer, darunter Schneide- und Requisitenraum, auf dem Gelände des Studios Babelsberg.

Hier produziert Xen.on Woche für Woche eine einstündige Sendung, die freitags um 15 Uhr im Offenen Kanal in Berlin zu sehen ist. Eigentlich ist der Namenszusatz „Campus Television“ irreführend. Denn hochschulpolitische Themen sind bei Xen.on bisher die Ausnahme gewesen. Keine Reportage über schimpfende Studenten in überfüllten Hörsälen oder über die Verwirrung mit der Bachelor- und Masterumstellung. Professor Klaus Keil, Geschäftsführer der CTV Hochschulfernsehen gGmbH, aus der das Projekt der Studenten nach wenigen Wochen entstand, vermutet „Politikverdrossenheit“.

Der 24-jährige Chefredakteur Ruben Donsbach ist damit ganz und gar nicht einverstanden. „An Bildungspolitik hatte bisher keiner von uns Interesse“, sagt der Berliner Literaturwissenschaftsstudent. Doch unpolitisch seien sie deshalb nicht, nur eben anders politisch. Wie anders? Das zeigen bisherige Sendungen: Es geht um alternative Jugendkulturen in Berlin oder um Verdrängung von Menschen aus ihrem Wohn- und Lebensraum in Berlin-Mitte, Prenzlauer Berg oder Friedrichshain. „Wir wollen nicht das bebilderte Uni-Radio sein“, erklärt Ruben. Doch immerhin gibt es eine kleine Gruppe von BWL-Studenten der Uni Potsdam, die eine Uni-Soap planen. Das ist jedoch Zukunftsmusik. Noch gibt es kein Drehbuch, die Idee ist in der „Formatentwicklung“.

Die Themen der vier Fachredaktionen Musik, Entertainment, Reportage und Film drehen sich vor allem um Berlin und seine Kieze. Kein Wunder, denn einige der Beteiligten kommen nun mal aus der Hauptstadt, eine Außenredaktion gibt es in Cottbus. So ist die Kamera einmal bei einem BMX-Wettbewerb im Postbahnhof mit dabei oder zeigt die Altbau-Wohnung des Moderators Armin Ceric in Berlin. Beim „Walk-Talk“ werden Menschen auf der Straße befragt, ein konventionelles Fernsehstudio haben die Studenten nicht. Dann gibt es noch die „Filmschau“ als regelmäßiges Format: Ein Kurzfilm wird gezeigt und eine Gruppe diskutiert darüber. Die Studenten drehen auch selber Kurzfilme.

Im Recherche-Raum von Xen.on dröhnt Musik aus dem Radio, Studenten starren auf die Monitore ihrer Computer. In dem spartanisch eingerichteten Raum stehen Möbelstücke vom Sperrmüll, die mit dem typischen Markenzeichen von Xen.on aufgemöbelt wurden – mit neongrüner Farbe. Einen verrosteten Campingstuhl bespannten Design-Studenten der Potsdamer FH mit neongrünem Breitband. Nun gehört er zu den Requisiten des Senders – etwa für ein Interview.

Aus einem Minimum an finanziellen Mitteln und Ausstattung machen die Studenten ihre Sendung. Die Kameras sind geliehen, die Räume bekommen die Studenten mietfrei, finanziell unterstützt werden sie von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Mittlerweile arbeiten hier über 20 Praktikanten und 50 freie Mitarbeiter. Ohne Entlohnung oder Seminarschein.

Ruben Donsbach weiß genau, wo es mit dem Sender hingehen soll. Er ist unzufrieden mit dem kommerziellen Fernsehen. Er erwähnt Adornos Kulturkritik. Der massenhaften Produktion von Kultur als Ware will er anspruchsvolle Sendungen entgegensetzen. „Das ist meine Utopie“, sagt er. Doch das ist nicht die einzige Utopie. Aus dem Sender, der bisher vor allem das Leben in Berlin gezeigt hat und auch dort nur über Kabelfernsehen zu sehen ist, soll ein Sendebetrieb rund um die Uhr entstehen. Das Programm soll für ein größeres Publikum zugänglich gemacht werden. Deshalb sind die aktuellen Sendungen seit Februar über das Internet zu sehen (www.xenonline.de). Professor Keil rechnet in naher Zukunft auch damit, die Sendungen im RBB ausstrahlen zu können.

Angela Gencarelli

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