Landeshauptstadt: Anders wohnen
Jedem Raum seine Farbe: In Babelsberg ist eine neue Wohnstätte für junge Autisten eingeweiht worden
Stand:
Babelsberg - Die Küche ist orange, der Wohnbereich rot, das Bad gelb. Was sich liest wie eine besonders farbenfrohe Gestaltung einer ganz normalen Wohnung, ist für die künftigen Bewohner des Moltke-Hauses in der Steinstraße eine Notwendigkeit: In den kommenden Wochen und Monaten sollen hier zehn an Autismus erkrankte junge Menschen ein neues Zuhause finden. Die Wohnstätte für junge, autistische Erwachsene – die ersten Bewohner sind zwischen 14 und 27 Jahre alt – ist gestern im Beisein von Christa Lammel, der Referatsleiterin Behindertenpolitik des Brandenburger Sozialministeriums, und der Potsdamer Jugend- und Sozialbeigeordneten Elona Müller feierlich eingeweiht worden. Finanziert wurde die 750 000 Euro teure Einrichtung vom Berufsbildungswerk Oberlinhaus und aus Spenden.
„Was uns einfach vorkommt, ist für Autisten schrecklich kompliziert“, erklärte Katharina Wiefel-Jenner, die Vorstandsvorsitzende des Vereins Oberlinhaus. „Autisten können ihre Sinneseindrücke nicht auswerten und einsortieren. Sie sind deshalb auf feste und regelmäßige Alltagsabläufe und Strukturen angewiesen.“ Deshalb hat auch jeder „Funktionsraum seine eigene Farbe.
Wie schwierig das Zusammenleben mit einem Autisten ist, weiß Adelheid Wüstenhagen nur allzu gut. Ihre Tochter Raphaela ist von Geburt an Autistin. Schon am vergangenen Montag ist die 14-Jährige als eine der ersten Bewohnerinnen ins Moltke-Haus eingezogen – eine innere Zerreißprobe für Raphaelas Eltern, die die Schwerstbehinderte bis dahin zuhause betreut hatten.
„Die Entscheidung, Raphaela gehen zu lassen, ist uns nicht leicht gefallen“, berichtete Adelheid Wüstenhagen. „Aber wir waren am Ende unserer Kräfte.“ Bereut haben die Wüstenhagens ihren Entschluss in den ersten Tagen nicht. Ihre Tochter scheine sich wohlzufühlen in dem großzügig geschnittenen Haus mit den hohen Decken und den bunten Bildern an den Wänden.
„Wir tun alles dafür, dass es den Bewohnern hier so gut geht, wie irgend möglich“, sagte Juliane Höpfner, die Leiterin der Einrichtung. „Es ist unser Ziel, den Bewohnern ein Höchstmaß an Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu ermöglichen.“
Jedem Bewohner steht ein etwa 16 Quadratmeter großes Zimmer zur Verfügung, das nach eigenem Geschmack gestaltet werden kann. Im Obergeschoss des Hauses gibt es Therapie- und Entspannungsräume. Ein Team von neun Betreuern kümmert sich rund um die Uhr um die Bedürfnisse der Bewohner. „Das hätten wir unserer Tochter in dieser Form zu Hause nicht bieten können“, sagte Adelheid Wüstenhagen. Ariane Mohl
Ariane Mohl
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: