Aus dem GERICHTSSAAL: Andy W: „Ich steche euch alle ab!“ Familienzwist eskalierte/
100 Sozialstunden
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Aus dem GERICHTSSAAL100 Sozialstunden Das Zusammenleben mit seinen Kindern ist nicht immer eitel Sonnenschein – besonders, wenn die Kinder eigentlich keine mehr sind und längst allein klarkommen müssten. Andy W.* ist knapp 24, schmiss drei Lehren, die ihm die Mutter besorgte. Jetzt hängt er den lieben langen Tag zu Hause herum und säuft. Anders kann man es nicht ausdrücken. Hat der schmächtige Kahlkopf dann einen gewissen Pegel erreicht, geht er auf alles und alle los, am liebsten aber auf seinen Stiefvater. So auch am Abend des 17. März 2004. Der Arbeitslose hatte sich auf rund 2,5 Promille hoch getrunken, griff den Stiefvater in der Wohnung Am Stern an, drohte gar, ihn abzustechen. Das brachte ihn jetzt wegen Bedrohung auf die Anklagebank des Amtsgerichts. „Der legt es drauf an, mich zu provozieren“, ist sich Wolfgang B.* (41) sicher. „Das geht schon seit Jahren so. “ Nüchtern bekomme Andy kaum die Zähne auseinander. Im Grunde habe er die Äußerung nicht besonders ernst genommen. Amtsrichterin Waltraud Heep bringt es auf den Punkt: „Sie haben also ein ausgesprochen schlechtes Verhältnis zueinander. Warum schmeißen Sie den jungen Mann nicht in hohem Bogen raus?“ Wolfgang B. antwortet resigniert, er habe dies schon versucht. „Aber die Polizei bringt ihn ja immer wieder.“ Logisch, Andy ist noch zu Hause gemeldet. Hier wohnt er mietfrei, bekommt regelmäßig zu essen, findet stets saubere Wäsche im Schrank. „Melden Sie ihn ab. Er ist alt genug, sich um eine eigene Wohnung zu kümmern“, rät die Vorsitzende. „Irgendwann sind die Eltern nicht mehr in der Pflicht.“ Ihr Sohn sei nicht bereit, Hilfe anzunehmen, klagt Andys Mutter. Eine Familientherapie lehne er ab, wolle sich nicht in sein Leben hineinreden lassen. An dem bewussten Abend sei Andy völlig von Sinnen gewesen. „Er wollte ja nicht nur seinen Stiefvater, sondern auch mich, unseren Hund und die zu Hilfe gerufenen Polizisten umbringen.“ Der Angeklagte müsse endlich lernen, alleine zu laufen, befindet die Richterin. Um seinen Tag zu strukturieren, soll er 100 Stunden gemeinnützig arbeiten. Danach wird das Verfahren eingestellt. Andy W. nickt. Momentan sieht er alles ein. (*Namen geändert.) Hoga
Hoga
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