zum Hauptinhalt

Aus dem GERICHTSSAAL: Angeklagter: „Ick habe mir ganz doll geändert!“

Schöffengericht: Entscheidung über Verhängung von Jugendstrafe für ein Jahr ausgesetzt

Stand:

Aus dem GERICHTSSAALSchöffengericht: Entscheidung über Verhängung von Jugendstrafe für ein Jahr ausgesetzt Manuel M. (20, Name geändert) sieht das Leben ziemlich locker. Der Sonderschulabgänger brach seine Lehre zum Hochbaufachwerker ab, weil sie zu wenig „Kohle“ einbrachte. Jetzt will er sich bei der Spargelernte betätigen, um Geld für den Erwerb der Fahrerlaubnis zu verdienen. Wenn er mobil sei – so seine Hoffnung – werde es auch mit einem interessanteren Ausbildungsplatz klappen. „Bei Ihren Voraussetzungen kommt doch nur eine überbetriebliche Maßnahme in Frage“, bremst die Vorsitzende des Jugendschöffengerichts den Enthusiasmus des bereits wegen Diebstahls, gefährlicher Körperverletzung, Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, versuchter Nötigung sowie gemeinschaftlicher Sachbeschädigung mit dem Gesetz in Konflikt Geratenen. Jetzt steht Manuel M. erneut vor Gericht, weil er am 24. Juni 2003 mit einem Kumpel zwei Mountainbikes im Gesamtwert von rund 760 Euro klaute. „Stimmt“, gesteht er verlegen grinsend. Den Bolzenschneider, mit dem sie den gut gesicherten Gefährten zu Leibe gerückt seien, hätten sie irgendwann auf einem Friedhof gefunden. Kaum zu Hause, wo die Fahrräder auseinander gebaut werden sollten, habe ihn die Mutter ertappt und zur Rede gestellt. „Dann war auch die Polizei schon da, und wir mussten die Dinger wieder zusammensetzen“, so der Langfinger. Noch am selben Tag erhielten die Bestohlenen ihr Eigentum zurück. „Ick habe mir inzwischen ganz doll geändert“, beteuert der Sozialhilfeempfänger treuherzig. Dem kann die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe nur zustimmen. Manuel, der bis zum Jahr 2002 „in erschreckendem Maße“ Alkohol trank, habe dessen Konsum inzwischen eingeschränkt. Er kümmere sich verantwortungsvoll um seinen Hund, pflege den Vorgarten des Mehrfamilienhauses, in dem er wohne, habe seit kurzem eine Freundin, die ihm auf die Finger schaue. Das Gericht sieht „ erhebliche Entwicklungsdefizite“ beim Angeklagten, kann heute allerdings nicht mehr sicher sagen, ob schädliche Neigungen vorliegen. Deshalb wird die Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe für die Dauer eines Jahres zur Bewährung ausgesetzt. Und da Manuel M. massenhaft Zeit hat, muss er 80 Stunden unentgeltlich arbeiten. (*Name geändert.)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })