Aus dem GERICHTSSAAL: Angeklagter: „In Hessen ist so etwas nicht strafbar!“
Auf Waffenbörse im „Blauhaus“ Gauabzeichen des „Bundes Deutscher Mädel in der HJ“ angeboten
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Aus dem GERICHTSSAALAuf Waffenbörse im „Blauhaus“ Gauabzeichen des „Bundes Deutscher Mädel in der HJ“ angeboten Ist Wilfried W. (59) aus dem Hessenland blauäugig oder unverfroren? Der kaufmännische Angestellte mit Sammlerleidenschaft bot bei der vorjährigen Waffenbörse im „Blauhaus“ ein Original-Oberarmgaudreieck mit der Aufschrift „West Westmark“ zum Verkauf feil. Der Staatsanwalt ist der Ansicht, dem Mann sei durchaus bewusst gewesen, dass es sich dabei um ein Abzeichen des im Brandenburgischen verbotenen Verbandes „Bund Deutscher Mädel in der Hitlerjugend“ gehandelt habe. Das Amtsgericht erließ einen Strafbefehl über 600 Euro wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungsdwidriger Organisationen. Wilfried W. legte Widerspruch ein. Schließlich fühlte er sich nicht schuldig. Gestern kam es zur mündlichen Hauptverhandlung. „Ich wusste gar nicht mehr, was ich alles dabei hatte“, beteuerte der Graukopf. An eines konnte er sich allerdings genau erinnern: „Das bewusste Gaudreieck lag mit diversen anderen Abzeichen, Kragenspiegeln und Schulterklappen in einer Kiste mit Glasdeckel – jedoch nicht sichtbar für die Besucher. Als Polizeibeamte vor Beginn der Veranstaltung einen Rundgang durch die Halle machten, hätten sie ihn aufgefordert, seine Behältnisse zu öffnen. Ausgerechnet in der letzten Schachtel hätten sie das Corpus delicti entdeckt und sichergestellt. „In Hessen ist so etwas nicht strafbar“, betonte der Familienvater. Deshalb sei er gar nicht auf die Idee gekommen, gegen Recht und Gesetz zu verstoßen. „Wir hatten an diesem Tag die Aufgabe, die Waffenbörse zu schützen“, erinnerte sich Thomas D. (24) von der Landeseinsatzheit der Polizei (LESE). Auf ihrem informatorischen Rundgang hätten sie an drei Ständen, darunter dem des Angeklagten, die bewussten schwarzen dreieckigen Aufnäher mit silbernem Rand gesehen. Da er und sein Kollege nicht genau wussten, ob es sich um ein verbotenes Kennzeichen handelt, hätten sie in einer speziellen Broschüre des Landeskriminalamtes nachgeschaut, zur Sicherheit noch in der Polizeiwache Mitte angerufen. „Das Gauabzeichen lag für jeden sichtbar auf dem Verkaufstresen von Wieland W.“, war sich der LESE-Beamte sicher. Als er den Mann darüber aufklärte, dass er sich dadurch strafbar mache, sei dieser sehr erstaunt gewesen. Amtsrichterin Meier regte an, das Verfahren gegen den nicht Vorbestraften gegen Zahlung einer Geldbuße von 250 Euro einzustellen. Wieland W. beriet sich mit seinem Anwalt, war schließlich einverstanden. Eine Frage hatte er allerdings noch: „Ich bin Sammler. Bekomme ich das Abzeichen zurück?“ Der Staatsanwalt behielt sich vor, später darüber zu entscheiden. Gabriele Hohenstein
Gabriele Hohenstein
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