Aus dem GERICHTSSAAL: Angeklagter sieht sich selbst als Opfer Prozess nach Prügelei im Lindenpark
Eine halbe Stunde Verhandlungsdauer hatte das Amtsgericht für die Klärung einer Körperverletzung vom 24. März 2013 im Lindenpark angesetzt – und sich deutlich verschätzt.
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Eine halbe Stunde Verhandlungsdauer hatte das Amtsgericht für die Klärung einer Körperverletzung vom 24. März 2013 im Lindenpark angesetzt – und sich deutlich verschätzt. Nach Aktenlage schien Jan J.* (32) der Täter zu sein, schließlich wurde der Schlosser von einer Polizeistreife vor der Disko beobachtet, wie er einen jungen Mann mit Faustschlägen und Fußtritten bearbeitete. Ronald R.* (26) – Bundespolizist und Leistungs-Kampfsportler – fühlte sich danach „ausgeknockt“, klagte über Schmerzen in Gesicht und Rücken. Er war vorübergehend dienstunfähig. Jan J. beteuerte zum Prozessauftakt, er sei nicht Schläger, sondern Opfer. Er könne eine Reihe von Zeugen benennen, die bekunden würden, dass er zuerst angegriffen worden sei.
Die Verteidigerin von Jan J. bezweifelte zudem die Korrektheit der Angaben, die die Streifenbeamten in jener Nacht ins Protokoll schrieben. „Kennen Sie diese Kollegen?“, fragte Richterin Doris Grützmann den Bundespolizisten. Ronald R. schüttelte den Kopf. Doch ohne die Ordnungshüter persönlich anzuhören, könne kein Urteil gesprochen werden, befand die Vorsitzende und beraumte einen weiteren, diesmal weit großzügiger terminierten Prozesstag an. Dann sollen auch diverse Augenzeugen des turbulenten Geschehens in den Zeugenstand treten.
„Es war ein Junggesellenabschied. Ich saß mit Freunden an der Bar. Ein Typ guckte dumm herüber und gestikulierte. Ich fragte ihn, ob er ein Problem mit mir hat. Da hatte ich schon einen Schlag im Gesicht. Meine Oberlippe platzte auf“, erzählte der Angeklagte. „Ich habe mich nur gewehrt.“ In der Rage seien beide die Treppe hinuntergefallen, anschließend von den Türstehern an die frische Luft befördert worden. Draußen sei er erneut von Ronald R., dessen Namen er damals noch nicht kannte, verprügelt worden. „Ich ging zu Boden und konnte nicht mehr laufen“, berichtete Jan J. Die Streifenwagenbesatzung protokollierte eine leichte Verletzung der Oberlippe des Angeklagten. Der wenig später durchgeführte Atem-Alkoholtest ergab einen Wert von 1,08 Promille.
Auch Ronald R. war während des Disko-Besuchs nicht übermäßig betrunken, hatte das Geschehen deshalb noch genau vor Augen. „Ich hatte eine Japan-Reise hinter mir und war mit Freunden essen. Den Abend wollten wir im Lindenpark ausklingen lassen“, erinnerte er sich. Der „aggressiv auftretende“ Angeklagte habe ihn an der Bar „touchiert“. „Ich fragte, ob er sich nicht woanders hinsetzen könne. Als ein Freund von mir von einem Bekannten des Angeklagten angerempelt und sein Getränk verschüttet wurde, eskalierte die Situation. Ich wollte keinen Stress, schließlich bin ich bei der Polizei“, so Ronald R. „Definitiv habe ich nicht zuerst geschlagen.“
„Wir müssen klären, inwieweit eine Notwehrlage bestand“, konstatierte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft. Die Verhandlung wird am 16. Januar fortgesetzt. Dann wird es voraussichtlich auch eine Entscheidung geben. (*Namen geändert.) Hoga
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