Aus dem GERICHTSSAAL: Angst vor dem wilden Blick
Ugur U.* (29) machte am ersten Verhandlungstag weder Angaben zu seiner Person noch zum Vorwurf der Nötigung im besonders schweren Fall.
Stand:
Ugur U.* (29) machte am ersten Verhandlungstag weder Angaben zu seiner Person noch zum Vorwurf der Nötigung im besonders schweren Fall. Beim gestrigen zweiten Prozesstermin wendete sich das Blatt. Nach umfangreicher Beweisaufnahme kam Amtsrichterin Kerstin Nitsche zu dem Schluss, dem Türken sei lediglich eine Bedrohung nachzuweisen. Und die sei nicht so gravierend, dass er dafür verurteilt werden müsse. Sie könne sich vorstellen, das Verfahren gegen Ableistung von 100 Sozialstunden einzustellen. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft signalisierte Zustimmung. Auch der Angeklagte – so schreibt es die Strafprozessordnung vor – muss einverstanden sein. Ugur U. nickte - einzige Äußerung außer vorangegangenem gelegentlichem Kopfschütteln und abschätzigem Lächeln. Letzteres galt am ersten Verhandlungstag vorwiegend seiner Ex-Freundin Gloria G.* (37). Unter Tränen erzählte die Logopädin im Zeugenstand, wie Ugur U. sie am 13. August vorigen Jahres mit dem Tode bedrohte, falls sie das gemeinsame Kind nicht abtreiben lassen würde (PNN berichteten). Voller Angst und Verzweiflung ging die Potsdamerin schließlich den Schritt, der sie noch heute schwer belastet.
„Gloria G. sagte mir am 18. August, sie müsse heute die Entscheidung ihres Lebens treffen“, erinnerte sich Rosmarie P. (44) von der Opferhilfe gestern vor Gericht. „Sie hatte noch am selben Tag einen Termin bei ihrem Gynäkologen, dem sie mitteilen sollte, wozu sie sich entschlossen habe. Gloria G. wollte das Kind unbedingt. Sie war verzweifelt über die Reaktion ihres Partners. Der war entsetzt von der Schwangerschaft. Sie sagte, er wolle sie umbringen, falls sie nicht abtreiben lassen würde“, so die Psychologin. Gloria G. habe diese Drohung ernst genommen, weil Ugur U. dabei „einen wilden Blick“ hatte. Sie habe auch geglaubt, er würde dem Baby etwas antun, falls es auf die Welt komme. „Am Schluss der Beratung hatte sie sich aber zu 98 Prozent für das Kind entschieden“, berichtete die Opferhilfe-Mitarbeiterin. „Bei einer zweiten Beratung erzählte sie dann, sie habe die Schwangerschaft unterbrechen lassen.“ Klar kam Gloria G. damit nicht. Sie suchte Hilfe beim Weißen Ring, betrachtete während der Verhandlungspause die Ultraschallbilder ihres Ungeborenen.
Ugur U. warf noch am Tag der Morddrohung einen Zettel in den Briefkasten von Gloria G., entschuldigte sich für seinen Ausbruch. Als die Frau nicht reagierte, schickte er ihr eine SMS und stellte klar, falls sie das Kind bekomme, würde sie künftig alleine dastehen. „Das ist zwar auch nicht nett, aber genau das Gegenteil von einer Morddrohung“, konstatierte Richterin Nitsche. Von einer schweren Nötigung – wie angeklagt – könne keine Rede sein. (*Name geändert.) Hoga
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