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PNN-Serie zu Flüchtlingshelfern in Potsdam: Ängste nehmen

„Es gibt ein helles Deutschland, das sich leuchtend darstellt“, sagt Bundespräsident Joachim Gauck über die Helfer, die sich in diesen Tagen für Flüchtlinge einsetzen. Auch in Potsdam geben viele Freiwillige ihr Bestes. Wir stellen jede Woche ein Beispiel vor, aufgezeichnet von Katharina Wiechers. Heute: Ursula Wagenschütz.

Von Katharina Wiechers

Stand:

Ich wohne in Babelsberg und als dort an der Sandscholle die Flüchtlingsunterkunft eingerichtet wurde, las ich in der Zeitung, dass Helfer gesucht werden. Ich dachte, das höre ich mir mal an, und war ganz überwältigt, wie viele Menschen dort waren – kein Stuhl war unbesetzt. Noch am selben Abend wurden Arbeitsgruppen gebildet und ich hab mich in die „Willkommensgruppe“ eingeschrieben, die die Ankunft der Männer vorbereitet hat. Auch in der Erstaufnahmeeinrichtung an der Heinrich-Mann-Allee hab ich schon oft geholfen. Von meiner Tochter, die dort auch aktiv war, hatte ich gehört, dass immer Leute gesucht werden. Eine Zeitlang war ich zweimal die Woche dort: Einmal, um Spenden auszupacken und zu sortieren und einmal, um sie an die Flüchtlinge zu verteilen. Momentan sind ja nur noch sehr wenig Menschen dort, deshalb war ich in letzter Zeit auch weniger dort. Außerdem hat eine Bekannte von mir eine Art Patenfamilie aus Syrien, die in der Grotrianstraße untergebracht ist. Für die habe ich einige Dinge besorgt, zum Beispiel Schuhe, Bettwäsche oder Kindersachen. Auch meine alte Nähmaschine habe ich vorbeigebracht, der Mann und die Frau sind nämlich gelernte Schneider. Das nächste Mal, als ich in der Unterkunft war, saßen sie schon im Gemeinschaftsraum und haben genäht. Ich habe auch eine Idee, wie die beiden beschäftigt werden könnten: Ich bin im Vorstand der Volkssolidarität und dort haben wir eine Nähstube. Senioren können dort für einen geringen Beitrag kleine Näharbeiten machen lassen. Seit Längerem ist die Nähstube unbesetzt und ich kann mir gut vorstellen, dass die beiden das übernehmen könnten. Ich hab es ihnen schon erzählt und sie wirkten sehr glücklich darüber. Jetzt sollen sie erstmal eine Wohnung finden und ein bisschen ankommen, dann nehmen wir das in Angriff.

Dann kann man vielleicht noch erwähnen, dass ich Vorstandsmitglied des Seniorenbeirates bin und wir eine Veranstaltung mit dem Titel „Ein friedliches Zusammenleben zwischen Christen, Atheisten, Juden und Muslimen in unserer toleranten Stadt Potsdam“ vorbereiten. Hierzu konnten wir unter anderen einen Imam und einen Rabbi gewinnen, außerdem einen Flüchtling, der über seinen Weg nach Deutschland und über seine Vorstellungen von Integration spricht. Ziel ist es auch, den älteren Menschen so ein Stück weit ihre Ängste zu nehmen. Meine persönliche Motivation, mich für Flüchtlinge zu engagieren, rührt vor allem auch aus der Fluchtgeschichte meiner Familie. Meine Mutter musste mit uns Kindern direkt aus dem Luftschutzkeller Hals über Kopf Breslau verlassen, mit der Hoffnung, am nächsten Tag wieder zurückzukehren. Das geschah aber nicht, stattdessen begann ein langer, schwerer Weg, immer auf der Flucht. Ich war noch klein und vieles ist mir nur durch Erzählungen meiner Familie gegenwärtig, in der das Thema immer präsent war. Ich kann mich also gut in Menschen hineinversetzen, die so etwas miterleben müssen.

Ursula Wagenschütz, 74, ist in mehreren Unterkünften aktiv und will nun Senioren ihre Ängste nehmen.

Sind Sie auch in der Flüchtlingshilfe aktiv oder kennen Sie jemanden, den wir hier vorstellen sollten? Schicken Sie uns eine E-Mail an potsdam@pnn.de.

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