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Homepage: „Anhalten kann man es immer noch“

Prof. Frank R. Schilling vom GeoForschungsZentrum über das umstrittene Verfahren, den Klimakiller CO2 unter die Erde zu bringen

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In Potsdam beschäftigen sich zahlreiche Forscher mit dem Klimawandel und seinen Folgen. Sie arbeiten am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), aber auch bei den Geoforschern, den Polarforschern, den Agrarforschern oder an den Hochschulen. Die PNN stellen die Forscher mit ihren aktuellen Erkenntnissen, ihren Prognosen, Entwicklungen und auch Ratschlägen vor. Heute: Prof Frank R. Schilling vom GeoForschungsZentrum (GFZ) Potsdam.

Herr Schilling, das GFZ will für ein Experiment in Ketzin das klimaschädliche Kohlendioxid von Kohlekraftwerken im Untergrund speichern. Die Politik spricht von einer Schlüsseltechnologie für „saubere Kohle“. Ist das nicht nur Wunschdenken?

Wir untersuchen das Verfahren der Speicherung von Kohlendioxid (CO2) im Untergrund. Wenn CO2-arme Kraftwerke über 90 Prozent des bei der Verbrennung entstehenden CO2 abtrennen und sicher speichern, würde die Kohleverstromung wesentlich „sauberer“ werden. Ob es ein Wunschdenken bleibt, ist vor allem auch eine Frage der Kosten. Die werden bei der Speicherung etwa fünf bis zehn Euro pro Tonne betragen. Aber daneben müssen auch Abtrennung und Transport finanziert werden. Unlängst wurde daher ein großes Experiment in Norwegen zurückgestellt, weil eine Pipeline dafür zu kostspielig geworden wäre. In Ketzin werden wir für den Transport LKWs einsetzen, das ist für die Menge von 60 000 Tonnen am günstigsten.

Das heißt, man braucht am Ende mehr Kohle für die gleiche Strommenge?

Am meisten Energie braucht man für die Abtrennung, Transport und Speicherung liegen darunter. Die Technologie geht natürlich mit einem Verlust des Wirkungsgrades einher. Daher muss die Effizienz der Kohlekraftwerke weiter gesteigert werden.

Wie weit sind Sie in Ketzin?

Wir haben nun drei Bohrungen je rund 800 Meter tief, eine als Injektor für das Kohlendioxid zwei zur Beobachtung, um zu kontrollieren, wie sich das CO2 in der Tiefe verhält. Wir haben den Nachweis erbracht, dass die Injektion sicher möglich ist. Wir haben das Gestein detailliert untersucht, um zu sehen ob es geeignet ist. Für die Speicherung brauchen wir ein Gestein mit großem Porenvolumen, dass das Gas wie ein Schwamm aufsaugen kann. Es musste auch sichergestellt werden, dass das Gestein mit dem CO2 nicht negativ reagiert. Das ist bei dem Sandstein in Ketzin sichergestellt; darüber liegt eine undurchlässige Tonschicht, die das Ganze abdeckt. Wir haben verschiedene Sicherheitsszenarien durchgerechnet: in allen Fällen ist der Speicher in Ketzin sicher. Im Frühsommer wollen wir zum ersten Mal CO2 in die Tiefe schicken.

Und wenn doch etwas passiert?

Wenn etwas passieren sollte, bestünde nur wenige Meter um die technischen Anlagen herum eine Gefahr, und die befinden sich auf einem abgeschlossenen Gelände. Selbst wenn jemand mutwillig Anlagenteile zerstört, würde nur wenige Meter neben der Anlage ein erhöhtes Risiko bestehen.

Wo kann man das Gas überhaupt unter die Erde bringen, überall?

Dort, wo man vergleichbare Strukturen wie in Ketzin – poröser Sandstein mit darüberliegender, geeigneter Abdeckschicht – hat. Da solche Strukturen nicht immer nahe an einem Kraftwerk gegeben sind, werden hier auch größere Transportwege anfallen. Da wir es nicht mit einem nationalen sondern einem globalen Problem zu tun haben, relativiert sich das allerdings. In den USA etwa, die enorm hohe Speicherkapazitäten haben, gibt es schon seit Jahrzehnten ein CO2-Netzwerk. Etwas Ähnliches brauchen wir auch in Europa. Unabhängig davon, wie wir das in Deutschland lösen, geht zurzeit in China alle fünf Tage ein neues 500 Megawatt-Kraftwerk ans Netz. Das wird die kommenden Jahre so weiter gehen. Es ist wichtig für die Schwellenländer, die stark auf Kohle setzen, eine Möglichkeit zu schaffen, den CO2-Ausstoß zu verringern. Wenn wir schon Kohle verstromen, dann möglichst so, dass es die Atmosphäre gering belastet.

Wäre es nicht besser, die Forschungsgelder in die Entwicklung von Energiequellen zu stecken, die nicht auf fossile Energieträger basieren, etwa Geothermie oder Solarenergie, damit diese günstiger werden als Strom aus Kohle?

In China ist die Kohle so günstig, dass sie noch länger preiswerter bleiben wird als Erneuerbare Energien. Die Speicherpotenziale in Deutschland würden bei optimistischer Abschätzung etwa 50 bis 100 Jahre reichen. Die Technologie hat also einen begrenzten Zeithorizont. Das heißt, andere Alternativen müssen weiter entwickelt werden, weil sie in 40 bis 50 Jahren bereit stehen müssen, um die Grundlast tragen zu können. Das Ziel, bis 2020 in Deutschland auf 20 Prozent Erneuerbare Energien zu kommen, bedeutet, dass in der Zwischenzeit eine Brückentechnologie für die verbleibenden 80 Prozent zur Verfügung stehen muss, um den CO2-Ausstoß deutlich zu reduzieren, trotz steigendem Energiebedarf. Die CO2-Speicherung sollte auf keinen Fall die Investitionen in Erneuerbare Energien einschränken.

Wir brauchen also das Speicher-Verfahren?

Die Politik hat den Spagat zu leisten zwischen einer Versorgungssicherheit, einer umweltverträglichen Energieversorgung und der Sicherheit der Anlagen. Ich kenne kein Szenario, das besagt, dass wir es bis 2020 schaffen, die Grund- und Spitzenlast weltweit nur mit Erneuerbaren Energien zu sichern.

Allein in Deutschland fallen jährlich 400 Millionen Tonnen CO2 aus Kohlekraftwerken an. In Ketzin wird mit insgesamt 60 000 Tonnen eine relative kleine Menge gespeichert und auch nur über einen relativ kurzen Zeitraum beobachtet. Wie können Sie langfristige Risiken für unsere Kinder und Enkel bei einer weltweiten Speicherung von Milliarden von Tonnen des Gases ausschließen?

Der Sinn einer Pilotanlage ist in erster Linie, einige grundlegende Fragen zu untersuchen. Bei fast jeder Technologie ist es so, dass sich ein kleiner Maßstab nicht linear auf einen großen übertragen lässt. Trotzdem muss man im Kleinen anfangen, um die Sicherheit, die chemischen Reaktionen, die Löslichkeit und die Überwachungstechnik zu testen. Das machen wir mit einer CO2-Menge, die absolut unkritisch ist. So können wir unsere Vorstellungen überprüfen und Neues entdecken. Ich bin auch der Meinung, dass man das noch länger als zwei Jahren überwachen muss. Deshalb wollen wir Ketzin möglichst lange als Feldlabor nutzen, damit eine längerfristige Überwachung sichergestellt ist. Denn gerade erst nach einigen Jahren fängt es an, für die Forschung spannend zu werden.

Die Energiewirtschaft hat es eiliger, man will das CO2-arme Kraftwerk so schnell wie möglich.

Wir werden in fünf Jahren relativ verlässliche Aussagen haben. Der nächste Schritt wird ein Kraftwerk in Demo-Größe sein, das heißt, etwa eine Million Tonnen Ausstoß pro Jahr, rund ein Zehntel des CO2-Ausstoßes eines Großkraftwerks. Schritt um Schritt können wir so an die notwendigen Kapazitäten herankommen. Wenn man bis 2020 die Technologie einsatzbereit haben will, wird man nur parallel vorgehen können. Die Planung für die anderen Projekte muss also schon heute starten. Anhalten kann man es immer noch.

Sie werden es Ihren Auftraggebern sagen, wenn die ganze Sache keine Perspektive hat oder zu riskant ist?

Unser Vorteil als GFZ ist, dass wir eine unabhängige Einrichtung sind. Wir werden sagen, wenn es ein Problem gibt. Keiner der Industriepartner hat mich bislang gedrängt, etwas zu verschweigen. Es gibt eine Vereinbarung mit der Industrie, dass die Öffentlichkeit an dem Projektprozess teilhaben soll. Sollte beim Einpressen des CO2 nun etwas Unerwartetes geschehen, wird das relativ schnell auf internationalen Tagungen publik gemacht, denn nicht nur wir sind interessiert an dem Verfahren, sondern alle Industrienationen wollen voneinander lernen. Ich bin als Kritiker in das Projekt eingestiegen. Umso mehr ich mich damit beschäftigt habe, umso mehr Vertrauen habe ich in diese Technologie bekommen. Heute sehe ich keine Gefahr mehr, dass in Ketzin etwas passieren könnte.

Auch die großen Energieversorger gehören zu den Sponsoren des Projektes. Vattenfall will in der Lausitz weitere Dörfer für die Braunkohle opfern. Wie fühlt man sich als Wissenschaftler, der an einer Methode arbeitet, die dazu den Weg bereitet?

Das Problem ist mir bewusst. Für mich war die Motivation genaues Wissen über die Technologie und ihre Sicherheit zu erlangen. Immer, wenn wir Ressourcen nutzen, hat das enorme Auswirkungen auch auf den Lebensraum des Menschen, sei es beim Speichern von CO2 oder bei der Förderung von Kohle. Wir verschieben das Problem gerne in ein anderes Land. Wenn wir nun Gas statt Braunkohle verstromen würden, wären nur andere Menschen an einem anderen Ort davon betroffen. Auch die Herstellung von Solarzellen oder Windrädern sind ein Eingriff in die Geosphäre, dabei sind oft auch Menschen betroffen.

Halten Sie das Verfahren für eine sinnvolle Technologie?

Wir müssen große Mengen CO2 einsparen, und zwar schnell. Dazu ist das Verfahren wahrscheinlich sinnvoll. Die Technologie macht dann Sinn, wenn sie bis 2020 einsetzbar ist. Wenn in vier Jahren ein Kraftwerk geplant wird, muss klar sein, ob die Möglichkeit zur Abtrennung und Speicherung überhaupt besteht. Es ist aber sehr ambitioniert, bis 2020 die Ziele zu erreichen. Unabhängig davon müssen wir eine langfristige Perspektive entwickeln, also in Zeiträumen von 40 bis 100 Jahren denken. Und bis dahin werden die Erneuerbaren Energien hoffentlich den Löwenanteil an der Stromversorgung sichern.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

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