Aus dem GERICHTSSAAL: Anklage: Notrufnummer ohne Not gewählt
Einspruch gegen Strafbefehl zurückgenommen / 300 Euro Geldstrafe
Stand:
„Sie haben den Notarzt völlig unberechtigt gerufen“, konstatiert Amtsrichterin Kerstin Devriel stirnrunzelnd. „In der Zeit, in der der Mediziner sich um Sie kümmerte, hätte er an anderer Stelle vielleicht Leben retten können.“ Markus M.* (26) mault: „Der hat mich ja nicht mal richtig untersucht. Der war so schnell wieder weg, wie er gekommen war.“
Einige Wochen nach besagtem Zwischenfall in der Nacht des 13. März erhielt der Arbeitslose Post von der Staatsanwaltschaft. Wegen Missbrauchs von Notrufen sollte Markus M. eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15 Euro zahlen. Der junge Mann legte gegen diesen Strafbefehl Einspruch ein. So kam es jetzt zur mündlichen Hauptverhandlung.
„Ich hatte akute Atemprobleme“, erzählt Markus M. vor Gericht. „Ich war schon richtig in Panik.“ Im August vorigen Jahres, so der Angeklagte, sei er in der Innenstadt von drei Betrunkenen zusammengeschlagen worden. Dabei habe er einen Bruch des Nasenbeins erlitten. Seitdem habe er ab und zu Schwierigkeiten, Luft zu bekommen. Die Richterin kann es nicht fassen. „Sie wären in fünf Minuten im Bergmann-Klinikum gewesen. Statt dessen wählen sie die 112 und berichten, sie seien soeben von Unbekannten angegriffen und erheblich verletzt worden. Der Notarzt attestierte Ihnen allerdings keine Notlage, sondern über zwei Promille. In diesem Zustand würde ich auch keine klaren Bilder mehr sehen.“ Die Vorsitzende rät dem Hartz-IV-Empfänger, seinen Einspruch gegen den Strafbefehl zurückzunehmen. Bei einer Verurteilung könne es nur teurer werden. Auch der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft hält das Verwerfen des Einspruchs für die kostengünstigere Variante. „Eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen wird nichts ins polizeiliche Führungszeugnis eingetragen. Wenn Sie sich irgendwo bewerben, taucht diese Sanktion also nicht auf. Sie gelten für einen künftigen Arbeitgeber weiterhin als nicht vorbestraft.“ Allerdings – so der Ankläger – müsse sich der Potsdamer bald entscheiden. „Wenn wir gezwungen sind, die Zeugen zu hören, wird es auch ein Urteil geben. Markus M. kämpft sichtlich mit sich. Noch ist er der Ansicht, der Arzt habe sich einer Pflichtverletzung schuldig gemacht. „Ihr Leben war nicht bedroht. Wo kommen wir denn da hin, wenn der Notarzt zu jedem Betrunkenen gerufen wird? Da müssen Sie eben ein bisschen weniger schlucken und langsamer laufen“, empfiehlt die Richterin.
„Bevor es noch teurer wird, nehme ich den Einspruch gegen den Strafbefehl zurück“, erklärt Markus M. nunmehr. Obwohl ihm die 300 Euro sehr wehtun, sind sie doch eine vergleichsweise milde Sanktion. Schließlich kann man für den Missbrauch des Notrufs auch bis zu einem Jahr ins Gefängnis wandern. (*Name von der Redaktion geändert.) Hoga
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