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Landeshauptstadt: Apophis im Anflug

Bestätigung durch die NASA: Der Potsdamer Schüler Nico Marquardt berechnete die Aufschlagswahrscheinlichkeit eines Asteroiden auf die Erde neu

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„Es könnte knapp werden“, sagt Nico Marquardt. Und wirklich, nur ein paar Zentimeter mehr und das tonnenschwere 70-Zentimeter-Teleskop hätte die kleine mobile Holztreppe gestreift. Das meterlange Fernrohr wird durch die spanische Doktorandin Ada Nebot aus der Ruheposition zur Kuppelöffnung gedreht. Für das Fotoshooting mit dem 13-jährigen Astronomie-Genie aus Potsdam soll es in die Richtung zeigen, aus der die Gefahr kommt. Nach oben.

Es ist das Instrument des Astrophysikalischen Institutes Potsdam (AIP) in Babelsberg, mit dem der Potsdamer Schüler selbst Aufnahmen machte von jenem Brocken im All, von dem die US-Weltraumbehörde NASA kurzzeitig sogar annahm, er werde im Jahr 2036 mit einer Wahrscheinlichkeit von ein zu 37 auf die Erde aufschlagen. Zum Vergleich: Bei Russisch-Roulette mit einem Revolver knallt es mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu sechs.

Mit der genaueren Beobachtung des erst 2004 entdeckten Asteroiden Apophis aber senkten die hochbezahlten US-Astronomen die Impact-Wahrscheinlichkeit auf eins zu 45000. Apophis war fortan nicht mehr der Star am Firmament, für den ihn viele Hobby-Astronomen und vor allem Apokalyptiker hielten.

Doch dann betrat Nico Marquardt vom Potsdamer Humboldt-Gymnasium die Weltbühne der Astro-Zunft – und mit ihm kommt nun das Comeback von Apophis als sehr ernstzunehmenden Erdbahnkreuzer. Der Gymnasiast kam, sah durchs Fernrohr, rechnete mit einem Faktor, den die NASA-Spezialisten nicht auf dem Schirm hatten – und siegte. Bei seinen Berechnungen kam er auf eine Einschlagswahrscheinlichkeit von eins zu 450 – und die NASA ließ der Europäischen Raumfahrt-Agentur ESA ausrichten, der Junge aus Potsdam habe recht. Beim Regionalausscheid von „Jugend forscht“ erhielt er mit seinem Thema „Der Killerasteroid Apophis“ einen Sonderpreis und gewann auch gleich den Wettbewerb im Fachgebiet Physik.

Der vielleicht „spannendste Moment der Menschheitsgeschichte“, wie Nico Marquardt verspricht, vollzieht sich ausgerechnet am Freitag, den 13. April 2029 um 22.45 Uhr Mitteleuropäische Zeit. Dann fliegt die aus Eisen und Iridium bestehende Weltraum-Kartoffel, 320 Meter im Durchmesser und 200 Milliarden Tonnen schwer, in lediglich 32 500 Kilometer an der Erde vorbei. In kosmischen Dimensionen ist das nichts, selbst der Mond ist zehn Mal weiter weg. Durch die hohe Geschwindigkeit von 50 000 Kilometer pro Stunde wird Apophis, aufgeheizt durch Atmosphäre-Teilchen der Erde, hell aufglühen und zehn- bis zwölf Mal größer erscheinen als der Mond.

Doch kaum ist Apophis durch, beginnt das große Zittern: Nico Marquardt glaubt, dass die großen Institute etwa zwei Stunden für die Berechnungen brauchen. Dann werden Professoren und Direktoren vor Kameras und Mikrofone treten – und die Weltbevölkerung wird den Atem anhalten. Steht die Menschheit im Schach – oder geht der Kelch an ihr vorüber?

Denn nach weiteren sieben Jahren – wieder so eine Schicksalszahl – kehrt Apophis, der in 323 Tagen die Sonne umkreist, zur Erde zurück, wieder an einem 13. April. Die Wissenschaftler werden anhand der dann möglichen genauen Flugbahnberechnungen sagen können, ob er am 13. April 2036 den blauen Planeten treffen wird oder nicht. Ein Aufschlag wäre verbunden mit einer Katastrophe biblischen Ausmaßes. Die freigesetzte Energie entspräche der von 65 000 Hiroshima-Bomben. Die NASA – und auch Nico Marquardt – glauben, dass Apophis, bezeichnet nach dem ägyptischen Gott der Auflösung, Finsternis und Chaos, im Atlantischen Ozean aufschlagen wird. Riesige Tsunami-Wellen wären die Folge und selbst der Aufschlag im Meer könnte nicht verhindern, dass große Staubmassen in die Atmosphäre gelangen und den Himmel für Jahre verdunkeln.

Doch was beachtete der Schüler des Humboldt-Gymnasiums, was die NASA übersah? Er erkannte die Gefahr der Kollision eines der etwa 40 000 geostationären Satelliten mit Apophis bei dessen Erd-Passage im Jahr 2029. Diese Kommunikations- und Wettersatelliten umkreisen in 35 880 Kilometer die Erde mit einer Geschwindigkeit von 3,07 Kilometer pro Sekunde. Kollidiert einer der Satelliten mit dem Asteroiden, könnte das der entscheidende Schubs sein. Der Klumpen könnte genau so abgelenkt werden, dass er sieben Jahre später die Erde trifft.

Später will Nico Marquardt Astrophysik studieren und – wenn sie ihn nehmen – bei der NASA arbeiten. Seine erste Bewerbung war schon vielversprechend.

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