Landeshauptstadt: Architektour durch die Nachbarschaft
Schüler der Goethe-Grundschule haben Babelsbergs Baulandschaft unter die Lupe genommen
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Der neunjährigen Jenny sind die Verzierungen an den Gründerzeithäusern in Babelsberg schon oft aufgefallen. Da ist die geschwungene Sonne an der Wand des Gebäudes in der Fultonstraße, das Gesicht eines bösen Mannes, das von einem Torbogen in der Kopernikusstraße hinabguckt oder die Malpalette an der Wand in der Wattstraße. „Ich liebe diese Formen“ sagt Jenny. Mit ihren Eltern sei sie öfter an der Malpalette vorbeigefahren, auf dem Weg zum Einkaufen. „Aber ich weiß nicht, warum die da dran ist“, sagt sie und blickt sie zu Sabine Thürigen hinauf: „Warum ist die da dran?“
Die Klasse 4a der Goethe-Grundschule in Babelsberg hat sich am Dienstagvormittag aufgemacht, die Architektur ihres Stadtteils zu erkunden. Im Rahmen der von der Brandenburgischen Architekturkammer initiierten Aktion „Architektur macht Schule“ wanderten die Acht- und Neunjährigen unter Anleitung der Potsdamer Architektin Sabine Thürigen durch den Stadtteil. Immer auf der Suche nach architektonischen Höhepunkten, die im Alltag vieler Menschen in Vergessenheit geraten. In Gruppen aufgeteilt nahmen die Schüler Gebäude, wie das Rathaus oder den S-Bahnhof unter die Lupe, statteten Weberhäusern und dem Weberplatz einen Besuch ab, besichtigten einen zeitgenössischen Glasanbau in der Rudolf-Breitscheid-Straße oder ließen sich durch Gründerzeithäuser führen.
„Kommt rein“ ruft Imken Möhring der kleinen Schülergruppe zu, die gerade die Malpalette an der Wand in der Wattstraße bewundert. In dem Haus arbeitet Möhring im Architekturbüro Thürigen. Sofort prasseln etwa ein Dutzend weitere Fragen auf die Ingenieurin ein. Warum sind die Häuser so verziert, wann wurden sie erbaut und was war zuerst da: Weber- oder Gründerzeithäuser? Geduldig antwortet Möhring. „Die Menschen wollten zeigen, dass sie Geld haben“, deshalb seien die im 19. Jahrhundert entstandenen Gründerzeithäuser so verziert. Sie lösten die Weberhäuser ab, die vielen zu klein wurden, sagt Möhring. Auch Jennys Frage kann sie beantworten: Früher hatte ein Maler in dem Haus seinen Betrieb, deshalb die Malpalette an der Wand.
Sabine Thürigen ist zufrieden. „Ich habe den Eindruck, den Kindern macht es Spaß.“ Viele Menschen nehmen die Gesichter über den Torbögen, die Schnitzereien an den Türen, die Türmchen auf den Hausdächern kaum wahr, sagt sie. „Dabei sind Menschen ständig in Berührung mit Architektur.“ In der Arbeitsgemeinschaft „Architektur macht Schule“ kämpft Thürigen mit 13 anderen Architekten dafür, das Interesse zu wecken. „Schule ist dafür genau der richtige Ort.“. Kinder, die von Architektur begeistert seien, würden später über das Aussehen ihrer Wohnumgebung mitentscheiden können– entweder als Architekten oder als Bauherren.
Um mehr Kinder zu erreichen, hat die Brandenburgische Architektenkammer die Internetseite http://schule.ak-brandenburg.de eingerichtet. Hier bieten die Architekten Bildungseinrichtungen kostenlos ihre Dienste an (siehe Text). Die Stadtsafari durch die Babelsberger Baugeschichte ist eines von fünf Angeboten.
„Wir haben Möglichkeiten gesucht, wie wir Architektur an die Schule bringen“, sagt Thürigen. Im Juni habe man die ersten Safaris angeboten. Alle Schulen könnten sich darum bewerben. „Wie wir unsere Umwelt gestalten, das hängt von uns ab und man kann auf einer Stadtsafari lernen, dass man es schön haben will“, sagt Thürigen.
Jenny und ihre Schulfreunde mögen es schon jetzt schön. Auf ihrer Stadtsafari haben sie dabei ihre ganz eigenen architektonischen Ideen entwickelt: Finn wünscht sich ein großes Haus für die ganze Familie, sagt er. Niclas würde sein Haus verzieren, wie die Gründerhäuser. Jaspers Haus hätte mindestens 33 Etagen. Und Jenny: „Ich weiß, das ist ein bisschen kitschig, aber ich würde mir ein Haus in Herzform bauen“, sagt sie.
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