Landeshauptstadt: Architekturexperte kritisiert Niemeyer-Pläne
6. Potsdamer Architekturgespräch diskutiert über Entscheidungsmacht der Stadt bei Neubauten statt um Wirtschaftsfaktor Baukultur
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Das Niemeyer-Bad spaltet immer noch. Eigentlich sollten die Pläne beim 6. Potsdamer Architekturgespräch am Freitagabend keine Rolle spielen. Doch verlagerte sich die Diskussion in der voll besetzten Schinkelhalle vom Thema „Baukultur als Wirtschaftsfaktor“ weg: Im Mittelpunkt stand die Entscheidungsmacht der Stadtverwaltung bei Großprojekten, wie eben dem Niemeyer-Bad.
„Total missraten“, nannte der Berliner Architekturkritiker Falk Jaeger das planerische Vorgehen für das Bad am Brauhausberg – des fehlenden Wettbewerbs um die beste Idee wegen. „Da holt man sich einen vermeintlichen Stararchitekten, der aus der Ferne einen viel zu teuren Entwurf plant, der nun mühsam reduziert werden muss“, sagte Jaeger, der kurzfristig für den erkrankten Architekturexperten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dieter Bartetzko, eingesprungen war. Er sei sich sicher, so Jaeger, dass der Niemeyer-Entwurf bei „jedem echten Wettbewerb rausgeflogen wäre“. Jaeger kennt die Potsdamer Verhältnisse und veröffentlichte gerade ein Buches über das neue Hans Otto Theater. Der mehrfach ausgezeichnete Professor für Architekturtheorie gilt als einer der renommiertesten Baufachexperten Deutschlands.
In seiner Kritik bekam Jaeger Unterstützung von Hubert Eilers, Vorsitzender des Brandenburger Landesverbands des Bunds Deutscher Architekten (BDA), der gegen die Vergabe an Niemeyer bei der Europäischen Kommission in Brüssel Beschwerde eingereicht hatte. „Das Grundsätzliche für einen Bau, die Planungs- und Nutzungsanalyse, wurde beim Spaßbad nicht ausreichend praktiziert“, so Eilers. Er schlug vor, sich in der städtischen Verwaltung mehr an Modellen wie in Potsdams Partnerstadt Luzern zu orientieren.
Das dortige Verständnis schilderte bei dem Gespräch der Luzerner Stadtrat Kurt Bieder: Besonders die Beteiligung der Bürger sei dabei wichtig. „Wir müssen jedes größere Bauvorhaben von den Menschen in unserer Stadt beschließen lassen“, sagte Bieder. Deswegen seien Wettbewerbe schon zu Beginn wichtig, um durch die besten Vorschläge mehrheitsfähige Lösungsansätze zu finden. Dadurch seien „Bausünden“ ausgeschlossen – die Bevölkerung von Luzern sei in Bezug auf die Architektur in der Stadt stark sensibilisiert worden. Und noch einen Unterschied gegenüber Potsdam stellte Bieder fest, den er zum Teil mit der komplexeren Planung begründete: „Wir haben im Vergleich wesentlich geringere Zuschüsse.“
Gegen diese breite Front der Kritik an Niemeyer und den Forderungen nach mehr Mitbestimmung und musste Baubeigeordnete Elke von Kuick-Frentz argumentieren. Sie stehe nach wie vor zu Niemeyers Plänen. Potsdam werde seinen Bewohnern ein „schönes Freizeitbad“ bieten können. Zudem gäbe es Formen der Bürgerbeteiligung: Etwa die öffentliche Auslegung von Bebauungsplänen und die Diskussion darüber. Ebenso wies sie den Vorwurf zurück, dass auch in Bezug auf die Gestaltung des neuen Landtags ohne Wettbewerb und Bürgermitsprache nach Willen der Stadt entschieden werde: „Es soll eine Annäherung an Grundriss und Fassade des alten Schlosses sein, es muss nicht der originale Knobelsdorff herauskommen.“ Potsdams Verwaltung und die Entscheidungen für einzelne Bauten seien transparent gestaltet.
Zudem ging die Baubeigeordnete auf einen weiteren Kritikpunkt von FalkJaeger ein: Dieser hatte der Stadt empfohlen, wie in anderen Kommunen eine Dauerausstellung über alle momentanen Bauprojekte einzurichten, um die Architekturdebatte in Potsdam voranzutreiben. „Dafür fehlt leider das Geld – aber wir bleiben an dem Thema dran“, so von Kuick-Frenz.
So herrschte am Ende nur in einem Punkt Einigkeit: Alle Diskussionsteilnehmer zeigten sich vom Design der Schiffbauergasse und besonders vom neuen Theater begeistert. „Das dieser Standort Wirtschaft und Kultur verbindet, war der entscheidende Faktor, weswegen wir uns für Potsdam entschieden haben“, so Helene Lengler, Chefin der Potsdamer Oracle-Niederlassung. Und auch Architekturexperte Jaeger konnte loben: Die knapp 30 Millionen für das Theater seien gut angelegt – nun komme es auf die noch aktivere Vermarktung des Standorts an.
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