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Landeshauptstadt: Archiv ja, aber

Bei der Kandidatenrunde in der Leipziger Straße sprachen sich alle für den Erhalt des Archivs aus

Stand:

Am Ende wirkte er kraftlos. Bier wollte er nicht und sich auch nicht länger im Archiv aufhalten. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) wirkte müde und hat den Ort des Geschehens am Montagabend schnell verlassen. Der letzte Satz war seinem Büroleiter Wolfgang Hadlich gewidmet. „Warum hast du mir das nicht vorher gesagt?“ Denn Jakobs saß bei der Runde der Oberbürgermeisterkandidaten für die Wahl am Sonntag wieder einmal auf dem Podium und wusste als Verwaltungschef nicht, welche Probleme es bei der Bearbeitung der Baugenehmigung für das soziokulturelle Zentrum Archiv in der Leipziger Straße noch gibt. Dabei wollten die etwa 100 Besucher des Talks genau dies wissen: Ist das seit 1994 existierende Zentrum direkt neben der Speicherstadt gesichert?

Für den Erhalt haben sich alle anwesenden Kandidaten ausgesprochen. Aber bislang gebe es trotz Beschlusses der Stadtverordneten keine Rechtssicherheit für das Haus, sagte Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke). Denn der nötige Bebauungsplan ist noch nicht aufgestellt, in dem das Haus in einem Mischgebiet als Veranstaltungszentrum festgeschrieben ist. Und auch das Geld ist noch nicht bewilligt, bis auf gut 200 000 Euro für die dringlichsten Aufgaben der Bauaufsicht, um die Brandschutzauflagen zu erfüllen. Umbauarbeiten sind nötig, insgesamt könnten bis zu vier Millionen Euro zusammenkommen, hieß es von Jakobs. Woher das Geld genommen wird, darauf hatte bis auf Benjamin Bauer von der Gruppe Die Andere keiner eine Antwort. Bauer, im bunten Rolli gekleidet und damit die Vielfalt der alternativen Szenen in Potsdam kennzeichnend, hatte ein Heimspiel im Archiv. Der Applaus galt seinen Antworten, seinen Ansichten. Doch am Ende erhielt selbst Barbara Richstein Szenenapplaus. Die CDU- Kandidatin hatte sich mit kecken Bemerkungen Gehör verschafft und einen Besucher zu dem Satz verleitet: „Ich gebe ihnen ungern Recht, muss das aber an dieser Stelle tun.“ Und Richstein sagte auf den Appell von Moderator Kay Kärsten an das Publikum, die Zwischenrufe einzustellen (die auch verstummten): „Das ist ja besser als im Landtag. Hier herrscht noch Zucht und Ordnung.“ Verbaler Sprengsatz im autonomen Kulturzentrum.

Wie aber weiter mit der alternativen Kulturszene in Potsdam? Erhalten, so die einhellige Meinung. Jakobs sprach im Zusammenhang mit dem Archiv von einem Erbbaupachtvertrag über 20 Jahre und Bedingungen, die das Archiv erfüllen müsse. Derzeit fehle noch eine Statikprüfung und die Stellungnahme des Landesumweltamtes, half Hadlich seinem auf dem Podium sitzenden Chef Jakobs. Wenn nicht gebaut und das Archiv geräumt werde, würde das „sehr teuer“, sagten einige Teilnehmer. Das Wort Straßenkampf nahm keiner in den Mund – aber es zog durch die Gewölbe des Archivs. Jan Brunzlow

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