Landeshauptstadt: Asyl im Tierhotel
Das Pfötchenhotel Beelitz zieht eine positive Bilanz der ersten beiden Monate als Potsdamer Fundtier-Betreuer – und versucht, sich als Alternative zum Tierheim-Neubau in Potsdam zu präsentieren
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Beelitz - Die Stille ist unerwartet. In welch anderen Verhältnissen in Potsdam gefundene Hunde seit Januar untergebracht sind, lässt sich hören. Denn wo im früheren Tierheim am Wildpark die herrenlosen Vierbeiner in ihren engen Zwingern oft nervös wirkten und laut bellten, ist es im Haus für die Fundtiere im Pfötchenhotel-Resort wesentlich ruhiger. Darauf macht Ute Seemann gern aufmerksam – und zeigt auf Lautsprecher an den Wänden, aus denen manchmal klassische Musik für die Hunde erklingt. „Es läuft alles gut“, sagt Seemann.
Die resolut wirkende Frau ist für die Werbung und öffentliche Darstellung der seit 1999 bestehenden Marke Pfötchenhotel zuständig – und ärgert sich in dieser Funktion noch immer darüber, dass ihr Haus in die heftige Potsdamer Tierheim-Debatte im vergangenen Jahr „reingerissen“ wurde. Unter anderem hatte es Vorwürfe wegen möglicher Zwei-Klassen-Tierhaltung gegeben. Deswegen ist Ute Seemann froh, bei einem Rundgang über die aus ihrer Sicht bestehenden Vorteile der zunächst für ein Jahr geltenden Lösung zu reden – und die weitläufige Anlage des Pfötchenhotel-Areals samt seinen rund 30 Mitarbeitern zu zeigen.
Sie präsentiert eine Art Luxus-Ferien-Anlage für Vierbeiner, deren Halter einen Unterschlupf für ihr Tier benötigen. Normalerweise zahlen sie für diesen Service je nach Hunde- und Zimmergröße zwischen 24 und 60 Euro pro Tag, Katzenräume sind im Schnitt 15 Euro billiger, Kleintiere und oder Vögel kosten noch weniger. Das Essen ist im Preis inbegriffen, die Freizeitbetreuung auch. Extra muss für Fellpflege im Pfötchen-Salon gezahlt werden, ebenso für Stunden in der Pfötchen-Schule, für eine Einheit in der physiotherapeutischen Praxis vor Ort oder die Nutzung der Schwimmhalle.
Dort hinein dürfen die Potsdamer Tiere allerdings nicht. Rund 120 000 Euro bezahlt die Stadt für ihre Unterbringung in diesem Jahr. Bisher wurden knapp 20 Hunde, zehn Katzen und ebenso viele Kleintiere nach Beelitz gebracht. Die Fahrten übernehmen Mitarbeiter des Ordnungsamts, auch in der Nacht. „Wenn hier herrenlose Tiere ankommen, werden sie geimpft, entwurmt und entfloht; sind sie verletzt, betreuen wir sie in unserer Tierklinik“, versichert Ute Seemann.
Haben die Tiere den ersten Check passiert, werden sie in einem eigenen Gebäude des ehemaligen Stasi-Funkgeländes am Rande von Beelitz untergebracht. Jeder Hund hat ein rund 15 Quadratmeter großes Zimmer, ausgestattet mit Ikea-Teppichstücken, Holztäfelungen an den Wänden und ein, zwei einfachen Tier-Möbeln. Per Computer wird verwaltet, welches Futter und welche Medizin in welcher Menge jedes Tier benötigt, die Ausdrucke hängen vor den Glastüren. Ab dem Frühjahr dürfen die Tiere zusammen mit den anderen Hotel-Gästen einen Teich samt Strand am Rand des Grundstücks benutzen. In den bewaldeten Auslaufflächen rund um das Areal können sich die Potsdamer Fundtiere schon jetzt aufhalten. Nur Extras wie die Physiotherapie gibt es nicht.
Diesen Unterschieden zu den privat untergebrachten Tieren ist sich auch Ute Seemann bewusst. Doch kommt es ihr auf eine andere Sicht an, gerade in Bezug zum früheren Potsdamer Tierheim: „Die Tiere sind jetzt wenigstens vernünftig untergebracht.“ Zudem komme die schon bestehende Ausstattung des Hauses wie die eigene Wäscherei auch den Fundtieren und der Qualität ihrer Unterbringung zugute. Die Kapazität für noch mehr Tiere scheint vorhanden: Etliche Zimmer im Fundtierbau stehen noch leer.
Damit es auch künftig keine Überbelegung gibt, sollen die Fundtiere möglichst schnell vermittelt werden. Rund 25 Tiere stehen zur Zeit mit Foto auf der Internetseite des Pfötchenhotels. Zudem hoffen die Betreiber, dass Besucher beispielsweise der Hunde-Schule auch auf die Potsdamer Fundtiere aufmerksam werden. „Wir haben schon traumhafte Vermittlungsgeschichten erlebt“, sagt Ute Seemann. 220 Euro kostet die Vermittlungsgebühr, 30 Euro mehr als zuvor beim Potsdamer Tierschutzverein. Rocky ist einer der Hunde, die noch zu vergeben sind. Am 20. Februar ist er in Golm gefunden worden. Lebhaft springt er auf Tierpflegerin Victoria Moritz zu, als sie die Tür öffnet. Damit sich potentielle Herrchen nicht gleich von soviel Übermut erschrecken lassen, ist Thomas Behrendt da. Er leitet die ansässige Pfötchen-Schule, in der er Hunde zum Beispiel für Film-Einsätze trainiert – oder einfach gutes Benehmen beibringt. „Das ist manchmal Geduldssache, weil wir gerade bei Fundtieren nie wissen können, was sie vorher erlebt haben“, sagt Behrendt. Mit Hunden kennt er sich aus, war schon Weltmeister in der Hundesportart Agility, bei der Mensch und Vierbeiner zusammen einen Hindernisparcour bewältigen müssen, ähnlich wie beim Springreiten. Die Benimm-Kurse für die Potsdamer Fundtiere übernimmt er nebenbei, ehrenamtlich, wie er sagt. „Wir sehen uns auch die Leute an, die sich für die Hunde interessieren, und versuchen, ihnen Hilfestellung zu geben“, sagt Behrendt.
Solche Beispiele sind auch ein Argument für Ute Seemann gegen die unterstellte Zwei-Klassen-Behandlung. Selbst der ansässige Frisör-Salon widme sich den Fundtieren, wenn es nötig sei, weil das Fell nur noch Filz ist. „Das ist ja nicht nur eine optische Sache, sondern beugt auch Entzündungen unter dem Fell vor“, sagt Salon-Chefin Mercedes Blaszyk. 90 Minuten dauert so ein Entfilzen.
Inzwischen hat Ute Seemann den Rundgang beendet. Und wirkt, als könne sie sich die Betreuung von Potsdamer Fundtieren auch längerfristig vorstellen. Ist das so? „Ob wir nach diesem Jahr weitermachen dürfen, wird die Stadt entscheiden.“
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