Landeshauptstadt: Atlas, Prinz und Präsident
Hans-Georg Meyer erzählt über 40 Jahre Potsdamer Karneval Club
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Wenn Atlas, nur mit einem Lendenschurz bekleidet, vom Dach des Alten Rathauses (ehemals Kulturhaus „Hans Marchwitza“) herabsteigt, dann darf er sich einige Frechheiten erlauben. Auch zu DDR-Zeiten war das möglich. Er habe bis auf eine Fall, als er die Kohlenrationierung im eisig kalten Winter 1979/80 durch den Kakao zog, nie Schwierigkeiten gehabt, meint Hans-Georg Meyer alias Atlas, auch mal Karnevalsprinz, Minister ohne Portmonee, langjähriger Vizepräsident und seit 1999 Präsident des Potsdamer Karneval Clubs. In dieser Saison feiert der PKC sein 40-jähriges Bestehen und hat das auch zum Motto seines Programms gemacht. Natürlich tritt bei der Festsitzung am heutigen Samstag im Drewitzer „Lindenhof“ wieder der Atlas auf und macht sich mit flotten Sprüchen über die alten und neuen Zeiten lustig.
Und die haben sich für den PKC gewaltig geändert. Als das Alte Rathaus gerade zum Kulturhaus ausgebaut worden war, hatte dessen Leitung gleich im Eröffnungsjahr 1966 beschlossen, dass auch Humor sein müsse. Kulturhausleiter Horst Grünberg scharte einen Elferrat um sich. Man entwarf ein Wappen und eine noch etwas magere Dekoration, schneiderte Narrenkappen und los ging es mit Tschingderassabum. Als Motto wählte man „Manege frei“, denn die erste Prinzessin war eine Artistin vom Zirkus Alberti.
Als der junge Hans-Georg Meyer 1973 zum PKC stieß, hatte der sich schon viele Freunde gemacht. Meyer kam aus Thüringen, gehörte dort zu einer Karnevals-Dynastie und wollte in seiner neuen Heimat Leute kennenlernen. Er stellte sich im Marchwitza vor und ihm wurde – schwupp – ein Packen Aufgaben übergeholfen. Und der Potsdamer Karneval wuchs, wurde zum Renner und die Karten gab es schließlich nur noch über den FDGB: Für die guten Bekannten! Potsdam feierte auf seine ganz eigene Weise die drei tollen Tage, man schmückte die narrensicheren Kulturhäuser von oben bis unten, orderte Kapellen und Discos und dann wurde getanzt, gescherzt und getrunken. Das Schmücken des „Marchwitza“ übernahm auf Anordnung der Stadtoberen die DEFA und die verwandelte das Haus je nach Thema in Ritterburgen, Märchenwelten oder Fantasia. Pünktlich um 20.11 Uhr marschierte Jahr für Jahr dann das Prinzenpaar samt Elferrat durchs Haus und bat zum einstündigen Programm in den Theatersaal. „Länger durfte es nicht sein, denn die Bestuhlung war herausgeräumt und man saß auf dem harten Fußboden“, erzählt Meyer. Über die Jahre hat er ohnehin festgestellt, dass in Potsdam am besten ein Action-Programm ankommt mit Tanz, Männerballett, Sketchen und witzigen Einlagen. Das habe Tradition, während bei Büttenreden gelärmt und gequatscht würde. Die Spitzen des Atlas ausgenommen – die haben auch Tradition.
Zur Wende gab es dann einen ganz besonderen Karnevalsgag. Da wurde doch glatt der Stadtschlüssel – gerade beim Oberbürgermeister abgeholt – nach Westberlin verschleppt. Denn am 11. 11. 1989 wollten alle über die gerade geöffnete Glienicker Brücke und da schloss sich der Karnevalszug samt Orchester dem Strom der „Auswanderer“ einfach an. Inklusive Stadtschlüssel.
Nach der Wende brachen für den PKC eher etwas humorlose Zeiten an. Ein Hauskarneval im „Marchwitza“ war nicht mehr bezahlbar. Wegen befürchteter Jugendrandale verschlang 1991 ein extra angeheuerter Sicherheitsdienst beinahe die ganzen Vereinsmittel. Und so begann die Zeit der Karnevalsumzüge für den PKC, aber leider nicht bonbonwerfend durch die Straßen, sondern von Saal zu Saal. Wo man auch auftrat, gab es ein Ende. Der RAW-Saal geschlossen, die Gaststätte „Zum Kahleberg“ abgerissen, das Blauhaus zu unpraktisch. Aber schließlich erbarmte sich der Lindenwirt in Drewitz. Michael Zok hält nun seit 1997 die Hände schützend über den PKC. Der ist in den letzten Jahren gewachsen auf rund 50 Aktive und hat sich verjüngt. Das Durchschnittsalter liegt bei 35 Jahren. Man hat sich auf attraktive Kooperationen eingelassen und es gibt natürlich freundschaftliche Verbindungen zu anderen Karnevalsvereinen von Friesack bis Bonn. Als Präsident ist Hans-Georg Meyer erst einmal bis 2009 gewählt. Die Weltkugel des Atlas hat der 57-Jährige allerdings schon abgeworfen. Die schultert er jetzt nur noch einmal zum Jubiläum.
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