Sport: Auch Conny Pohlers verlässt Turbine
Potsdams langjährige Stürmerin wechselt im Sommer zum FFC Frankfurt / Schröder will neues junges Erfolgsteam bis 2008 formen
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Conny Pohlers verlässt im Sommer den Deutschen Frauenfußball-Meister 1. FFC Turbine Potsdam. Die 28-jährige Stürmerin erklärte gestern ihren Wechsel nach dieser Saison zum 1. FFC Frankfurt, bei dem sie einen Ein-Jahres-Vertrag unterschrieb. Sie ist nach Petra Wimbersky, Karolin Thomas (beide ebenfalls Frankfurt), Britta Carlson (VfL Wolfsburg) und Ariane Hingst (Djurgarden/Älvsjö Stockholm) die fünfte deutsche Nationalspielerin, die innerhalb von neun Monaten dem DFB-Pokalsieger der vergangenen drei Jahre den Rücken kehrt.
„Ich möchte mich verändern und sehe in Frankfurt eine neue Perspektive“, begründet Pohlers, die – mit halbjährlichen „Abstechern“ 1997 nach Niederkirchen und 2003 in die US-Profiliga WUSA nach Atlanta – zwölf Jahre für Turbine die Töppen schnürte und der mehrere Angebote aus der Bundesliga vorlagen, ihren Wechsel an den Main. Mit Potsdam wurde sie UEFA-Cup-Siegerin, zweifache Deutsche Meisterin und dreifache DFB-Pokal-Gewinnerin, 2002 und 2006 konnte sie sich als Bundesliga-Torschützenkönigin feiern lassen. „Es fällt mir schwer, hier weg zu gehen, denn ich liebe Turbine. Aber ich bin jetzt 28, werde nicht mehr so lange Fußball spielen und will noch mal was erreichen“, sagt sie. Sie wisse, wie schwer es werde, sich in ihrem künftigen Verein mit seiner sehr guten Offensivabteilung – Birgit Prinz, Petra Wimbersky, Kerstin Garefrekes – durchzusetzen. „Es wird nochmal eine richtige Herausforderung, die ich hoffentlich meistern kann“, erklärte sie auch mit einem Blick voraus auf die WM-Endrunde im September in China: „Wenn ich mich in Frankfurt durchsetze, habe ich auch wieder eine Chance in der Nationalmannschaft.“
DFB-Trainerin Silvia Neid sieht den Wechsel der 56-fachen Nationalspielerin mit gemischten Gefühlen. „Ich weiß, dass Conny eine neue Herausforderung sucht. Ihre Entscheidung akzeptiere ich. Manchmal bringt ein neuer Verein auch neue Motivation. Schade ist allerdings, dass der Aderlass in Potsdam mittlerweile recht groß ist“, so Neid, die Pohlers für den in der nächsten Woche beginnenden Algar- ve-Cup in Portugal unberücksichtigt ließ.
Von Potsdam hatte Pohlers bisher kein neues Angebot für eine Vertragsverlängerung über den 30. Juni 2007 vorliegen. „Wir hatten einige Gespräche“, sagte sie. Das letzte am Donnerstagvormittag. „Ich habe dabei nicht versucht, sie zum Bleiben zu überreden“, räumte anschließend Turbine-Cheftrainer Bernd Schröder ein, der nicht verhehlt, ohnehin nicht mehr langfristig mit ihr geplant zu haben. Er respektiere ihre Entscheidung, sei sich aber nicht sicher, ob das wohl überlegt sei. „Ich habe lange mit Conny Pohlers zusammengearbeitet, sie ist von Turbine geprägt. Und natürlich sind wir nicht begeistert, dass sie uns verlässt – vor allem Richtung Frankfurt“, erklärte der Coach, der gegenüber dem Sport-Informationsdienst harsche Kritik am Potsdamer Erzrivalen übt: „Wenn Frankfurt auch in Zukunft mit Geld die Spielerinnen abwirbt, dann geht der Frauenfußball irgendwann kaputt. Der Frauenfußball muss eine Gegenphilosophie zum Männerfußball haben. Es kann nicht nur um Angebot und Nachfrage gehen.“ Frankfurts Manager Siegfried Dietrich erklärte dazu: „Grundsätzlich ist jeder Verein für sich selbst verantwortlich. Aber es ist wichtig, dass wir in der Frauenfußball-Bundesliga starke Konkurrenz haben. Und wir sind froh, dass Wolfsburg, Essen und Bad Neuenahr alles dafür tun, um nach oben aufzuschließen“.
Das will auch Schröder wieder schaffen – mit einer stark verjüngten Mannschaft. „Wir haben unsere eigenen Gedanken und setzen auf junge Leute. Derzeit haben wir acht Spielerinnen beim Lehrgang der U19-Nationalmannschaft, die wahrscheinlich auch alle in der nächsten Woche beim Acht-Nationen-Turnier in Spanien zum Einsatz kommen“, erklärte der Coach. „Es geht um die Zukunft und nicht um den Augenblick.“ Es sei sein erklärtes Ziel, eine junge Mannschaft „in möglichst kurzer Zeit wieder nach oben zu führen. „Ich will bis zu den Olympischen Spielen 2008 versuchen, diese Mannschaft weiter zu formen.“ Gemeinsam mit dem Hauptsponsor DKB sei bei Turbine in Bälde die Bildung eines „Teams 2011“ für die WM-Endrunde in vier Jahren geplant, für die sich Deutschland bewirbt (siehe Seite 25). „Damit wollen wir heute 14-, 15-jährige Spielerinnen auf ihrem Weg zu künftigen Nationalspielerinnen unterstützen“, so Schröder.
Seiner Ansicht nach hätte Conny Pohlers auch die Herausforderung annehmen können, in den nächsten Jahren die junge Turbine-Truppe zu führen. „Davor scheut sie sich wohl aber. Der Wechsel nach Frankfurt ist vom Papier her die elegantere Lösung.“ Seine Noch-Stürmerin sagt dazu: „Schrödi plant jetzt, mit einem jungen Team etwas Neues aufzubauen, und ich mache einfach nur Platz.“
Gleichwohl ruft der Abschied der beiden Turbine-Identifikationsfiguren Aria- ne Hingst und Conny Pohlers die Kritiker der Schröderschen Menschenführung auf den Plan, die dem 64-Jährigen einen zu autoritären Stil vorwerfen. Pohlers, die in der Vergangenheit öfter mit ihrem Trainer verquer lag, versicherte zwar gestern: „Ich gehe nicht im Streit.“ Im Dezember vergangenen Jahres aber hatte sie davon gesprochen, dass „viele unzufrieden sind. Neuer Wind könnte gut tun. Wir wissen, dass wir Schröder viel zu verdanken haben, aber es gibt Abnutzungserscheinungen.“ Sie empfahl ihrem Trainer damals, künftig lieber im Hintergrund zu wirken.
Gestern war sie darauf bedacht, keine schmutzige Wäsche zu waschen. Vielmehr erklärte die Sportsoldatin: „Ich gebe jetzt alles, um mich in Potsdam ordentlich zu verabschieden und Turbine noch mit auf den dritten Platz zu führen.“ Auch Schröder zeigte sich in dieser Hinsicht vor dem nächsten Punktspiel am Sonntag daheim gegen die SG Essen-Schönebeck moderat: „Andere Vereine würden Pohlers jetzt gleich auf die Bank setzen. Ich lass sie weiter spielen – aber nur mit entsprechenden Leistungen.“
Bereits heute hofft der Cheftrainer, die Vertragsverlängerung mit der einen oder anderen Stammspielerin verkünden zu können, die mit ihren Erfahrungen zum erneuten Aufschwung beitragen sollen. Ein noch größerer Aderlass könnte zu einem kaum noch zu kompensierenden Substanzverlust führen; das weiß auch Schröder, der Torfrau Nadine Angerer und Jennifer Zietz gern halten will. Navina Omilade will sich dieser Tage entscheiden, Anja Mittag hat bei Turbine noch einen Vertrag bis Sommer 2008.
Apropos Mittag: Als sie zu Turbine kam, war sie 17 Jahre alt; Zietz und Pohlers waren 16, Omilade 19. Potsdams neue Sturm-Hoffnungen Isabel Kerschowski und Bianca Schmidt sind heuer 18 beziehungsweise 16. „Einen solchen Umbruch“, sagt Pohlers, „haben wir auch bei Turbine mitgemacht, als wir jung waren und diese Mannschaft von unten nach oben führten. Dass kann wieder gelingen.“
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