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Sport: Auch ein Ratschlag kann ein Schlag sein

VfL-Handballer zeigen sich beim 34:35 im Heimspiel gegen Aúrich nicht auf der Höhe der Aufgabe

Stand:

Frank Carstens hatte gut reden als er im düsteren Kabinengang der Sporthalle Heinrich-Mann-Allee so dastand mit seiner Flasche Bier in der Linken. Danach gefragt, was er denn, so er wollte, dem heutigen Kontrahenten mit auf den weiteren Weg geben würde, plauderte der Trainer des Handball-Zweitligisten OHV Aurich munter drauflos. Carstens (35), nach flüchtigem Urteil ein Fachmann von verbindlichen Umgangsformen, empfahl dem eben im so wichtigen Heimspiel mit 34:35 (14:17) unterlegenen 1.VfL Potsdam, einfach so weiter zu machen wie bisher und nicht die Geduld zu verlieren. Wörtlich sage er: „Macht euch keinen Kopp. Augustdorf als Tabellenletzter ist noch einen ordentlichen Kanten schlechter als ihr. Achim/Baden und Spenge eigentlich auch. Das wird schon noch.“ Carstens stutzte kurz, lachte dann und suchte irgendwie nach einer Floskel, die diese Wertung in ihrer Klarheit abschwächen sollte. Er fand sie nicht und verabschiedete sich bald darauf, um vor dem weiten Rückweg im Mannschaftsbus nach Ostfriesland noch zwei Telefonate zu führen.

Des Trainers Ratschlag wirkte wie ein Schlag, den zu versetzen eigentlich nicht mehr nötig war. Die Gastgeber hatten nämlich zuvor in aller Deutlichkeit den Nachweis erbracht, dass sie in diesem so wichtigen Spiel nicht imstande waren, „heute hier ein Feuerwerk abzubrennen“, wie es Alexander Haase, Carstens´ Kollege, zuvor im Pressegespräch formuliert hatte. Haase ging noch weiter und bemängelte im Angesicht der Bedeutung der Partie mit bewusst eigesetztem Pathos, dass „wir nicht bereit waren, für den Sieg zu sterben“.

Tatsächlich bot sich den 400 Zuschauern am späten Sonnabend ein Bild tiefgreifender Betrübnis. Die Niedersachsen waren drin in der Partie, als sie nach Toren von Ivo Warnecke und Sergej Toma mit 2:0 führten (4.). Sascha Kuhnigk hatte sich da schon den Luxus geleistet, gleich drei gute Anspiele nicht verwertet zu haben. Zu einem von Lars Melzer verworfenen Siebenmeter gesellte sich ein weiterer Fehlversuch von Steffen Baumgart. Offensichtlich geht derzeit beim VfL nichts, wenn der vielzitierte Druck, mit dem ein bestimmter Typus von Spieler im Handball sowieso immer seine Probleme hat, ein gewisses Quantum übersteigt. Warum hatten nicht alle Spieler ein gesteigertes Interesse daran, dem vorgestern sehr gut aufgelegten Christian Schücke ganz profan zu einem freudigen Ausklang seines 26. Geburtstages zu verhelfen? Wann reift die Erkenntnis, dass in Spielen wie diesem die unbedingte körperliche Bereitschaft aller Spieler Grundvoraussetzung für den Erfolg ist? Christian Pahl jedenfalls erregte Mitleid. Nicht unbedingt dafür, dass er diesmal zwischen den VfL-Pfosten nur wenige Bälle torverhindernd abwehren konnte. Pahl hatte noch sechs Vorderleute, die ihren Schlussmann schlecht aussehen ließen. Kaum einmal wurde einem der Auricher Angreifer eine Sperre gestellt, viel zu selten mannhaft zugefasst. Die Gäste nutzten dies und wunderten sich hinterher über die geradezu körperlose Art der gegnerischen Abwehrbemühungen.

Wie es gemacht wird, hat der OHV Aurich vorgeführt. Er war bereits am Vortag nach Berlin gereist, hatte in Wilmersdorf Quartier genommen und am Vormittag des Spieltages noch in Reinickendorf trainiert und Spannung aufgebaut. Carstens: „Wir haben hier fernab der Heimat gezeigt, dass wir willens sind, uns zu behaupten. So muss das sein, wenn man nicht absteigen will.“

Der VfL Potsdam, der vorgestern fast immer einem Rückstand hinterherhechelte und nie selbst in Führung lag, hielt da nicht Schritt. Mehr noch, er schleppte sich mit zu wenig Leidenschaft stets hinterher und hinterließ Ratlosigkeit.

1.VfL Potsdam: Pahl, Herholc; Pohlack (8), Melzer (3), Böhm (1), Galus (4), Kuhnigk (3), Bolduan (6/1), Kaniowski, Wendlandt, Thiele, Schücke (7/1), Stölzig, Baumgart (2).

Thomas Gantz

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