Landeshauptstadt: Auch Einstein liebte den Schwielowsee
Das launische Gewässer zeigte sich den PNN-Paddlern vorwiegend von der milden Seite / Mit Olympiasieger Torsten Gutsche vom Petzinsee über Baumgartenbrück zur Inselstadt Werder, in den Glindower See und durchs Caputher Gemünde
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Das launische Gewässer zeigte sich den PNN-Paddlern vorwiegend von der milden Seite / Mit Olympiasieger Torsten Gutsche vom Petzinsee über Baumgartenbrück zur Inselstadt Werder, in den Glindower See und durchs Caputher Gemünde „Der Nachtwindhund weint wie ein Kind, derweil sein Fell von Regen rinnt “, dichtete Christian Morgenstern, als er mit seinen „Galgenbrüdern“ an einem unwirtlichen Tag auf der späteren Bismarckhöhe in Werder zechte. Doch obwohl es am Freitag Nachmittag noch wie aus Kübeln schüttete und auch am Sonnabendmorgen der grau bezogene Himmel neue Schauer ankündigte, pünktlich fanden sich die Teilnehmer der zweiten PNN-Kanutour an der Eisenbahnbrücke Petzinsee ein, um das Wagnis der fast 20 Kilometer langen Paddeltour über die Havelseen bis hinauf zur Inselstadt Werder und retour auf sich zu nehmen. Von soviel Standhaftigkeit beeindruckt, schickte Petrus während der gut vier Stunden nur zweimal einen kurzen Nieselregen. Die Leser, die mit den PNN die Landeshauptstadt und ihre Umgebung neu entdecken wollen, waren darauf gut eingestellt. In regendichter Kleidung versammelten sie sich um Chefredakteur Michael Erbach, der ihnen gute Fahrt wünschte. Auch für die junge Andrea, die mit ihrem Freund Mathias einen wohl etwas mehr sommerlichen Wochenendtag verbringen wollte, zauberte die „vorsorglich, aber nicht zur Kontrolle“ mitgekommene Mama eine gut gefütterte Jacke aus dem Rucksack. Allein die beiden Kapitäne vom Kanu-Club Potsdam, der wieder die beiden 20er Canadier stellte, zeigten kurzbehost ihre trainierten Sportlerwaden - allerdings nur bis zur Rast auf der Insel Werder, dann stiegen auch sie in lange Beinkleider. Neben Exjuniorenweltmeister Sven Lehnert, der schon bei der ersten Ausfahrt dabei war, hatte der KC diesmal Torsten Gutsche aufgeboten. Drei olympische Goldmedaillen und sieben Weltmeistertitel hat die Sportlerlegende in den 90er Jahren nach Potsdam geholt. Wer Wind, Wellen und Kühle scheute, für den stand diesmal ein Motorboot bereit. Auf dem kleinen Petzinsee, an den die Vormittagsangler auf reiche Fänge hofften, war das Wasser allerdings ganz ruhig, und erst recht im Wentorfgraben, dem von Sumpfauenwald gerahmten, wie verwunschen wirkenden stillen Durchstich zum Schwielowsee. Einige Minuten begleitete eine Entenfamilie die Boote, und eine der Paddelnden stellte laut die Frage, ob wir Potsdamer weit in den Urlaub reisen müssen, wo wir doch unser Paradies vor der Haustür haben Auch der große Schwielowsee zeigte mehr die friedliche als die wilde Seite seines von Fontane beschriebenen Doppelgesichts. Und so erreichten die Kanus mit ihren noch frischen Crews bald die Baumgartenbrücke. Für diesen Punkt hatten die PNN auf Leserwunsch einen Erklärer, heute sagt man wohl Guide, aufgeboten, der keine leicht nachzulesende Jahreszahlen herunterbetete, sondern über die Familie Herrmann berichtete, die seit 1831 mit einer Unterbrechung in der DDR-Zeit die Gaststätte Baumgartenbrück führt. Von Bismarck bis Itzenplitz kehrten hier die Adelssprösslinge ein, die sich in einer nahe gelegenen Paukschule auf Examen vorbereiteten, und später die nicht so betuchten Maler der Kolonie um Hagemeister, von Brockhusen, Gehrke und Sprotte. Manchmal konnten sie die Zeche nicht zahlen und gaben dafür Gemälde in Zahlung, von denen einige, inzwischen von beträchtlichem Wert, noch immer in der Herrmannschen Wohnung hängen. Natürlich, Fontane ist ebenfalls hier gewesen, hat das schön gelegene Lokal „Brühlsche Terrasse am Schwielowsee“ genannt und die „vorzügliche Verpflegung“ gelobt. Die Herrmanns haben also einen Ruf zu verteidigen, und es kann ihnen nicht gleichgültig sein, dass auf dem nahe gelegen Parkplatz supermarktgroß ein Gebrauchtwagenhandel und ein Bootsverkauf in die Landschaft gesetzt werden sollen. Mehr als 300 Geltower haben bereits gegen diesen Eingriff protestiert, darunter auch der neue Eigentümer des Carlsturms, den er wieder als Aussichtspunkt zugänglich machen wollte. Von der Baumgartenbrücke nahmen die Paddler Kurs auf die Inselstadt Werder. Bei der dortigen Rast merkten sie erst, wie kühl es doch war. Das Versorgungsboot legte an, wie in der Vorwoche gab es Bockwurst oder Knacker. Mancher hätte freilich bei dieser Witterung eine wärmende Suppe vorgezogen und einen heißen Tee getrunken. Vielleicht beim nächsten Mal Zu einem Spaziergang durch die Inselstadt mit vielen erneuerten Bürgerhäusern und restauriertem alten Rathaus, aber einer schon wieder reparaturbedürftigen Bockwindmühle, reichte die Zeit nicht, denn mit einem Abstecher in den Glindower See, wo am verregneten Zeltplatz Riegelspitze ein unverwüstlicher Dauercamper Zeitung lesend am Ufer saß und dem modernen Ferienresort Schwielowsee lockten neue Ziele. Gerade ging vor der Kulisse des Seaside Hotels, der Ferienhäuser und des Fischrestaurants „Ernest“ der rote Wasserflieger nieder, um dessen Start- und Landeerlaubnis so hart gestritten worden war. Der Guide an Bord nutzte die Vorbeifahrt, um die erstaunliche Nachwendekarriere des Resortbetreibers Axel Hilpert zu beleuchten, aber auch deren Wurzeln in der DDR-Zeit. Nun hat der frühere Stasioffizier auch Schloss Petzow gekauft – in wenigen Wochen soll der Ausbau zum Nobelhotel beginnen. Bis Petzow reichte die Kraft einiger Paddler nicht mehr, und so steuerte Torsten Gutsche quer über den nun doch ziemlich lebhaften Schwielowsee das Caputher Gemünde an. Die Fahrt erwies sich als recht anstrengend; in die Gefahr, sich den angeblich zu Dutzenden bei Sturm gesunkenen, auf dem Seegrund liegenden Lastkähnen zuzugesellen, gerieten die Kanus aber nicht. Einstein ist schließlich hier auch gesegelt und hatte sogar seine österreichische Geliebte mit an Bord! In Caputh als letzter Station fragte ein Potsdam-Neuling an Bord: „Wo ist denn nun das Schloss. Etwa das kleine gelbe Haus da?“ Der Erklärer nahm die Frage zum Anlass, die wiederhergestellte Schönheit dieses kurfürstlichen Landschlösschens zu schildern und es für einen Besuch zu empfehlen. Da hatten viele Paddler allerdings schon den Blick auf die am anderen Ufer sichtbare Petzinseebrücke als Endpunkt der Tour gerichtet. Geschafft. Am nächsten Sonnabend aber sehen wir uns wieder, waren sich die meisten einig. Dann geht es auf einem etwas kürzeren Kurs zwischen Hermannswerder und Jungfernsee durchs Potsdamer Stadtgebiet.
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