Landeshauptstadt: Auch ohne Blutmond großer Andrang
Den Wolken zum Trotz: Über vierhundert Besucher am Tag der offenen Tür beim Großen Refraktor
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Teltower Vorstadt - Menschenschlangen bildeten sich am Sonnabendnachmittag auf der Beobachtungsbühne des Großen Refraktors auf dem Telegrafenberg. Jeder wollte einen Blick durch das Okular des einzigartigen Instruments tun. Väter und Mütter hielten ihre Kleinen hoch, damit sie ihre Augen an die Linse drücken konnten. „Siehts du was?“, fragte ein Vater und prompt kam die Antwort von oben: „Ja ich sehe es“.
Aber die Behauptung war offenbar kindlicher Überschwang. Kein Stern war zu sehen. Weder die Venus noch der Saturn zeigten sich. Und während der Erdschatten die helle Oberfläche des Mondes in einen „Blutmond“ verwandelte, zogen sich die Wolken über dem Refraktorgebäude dichter und dichter zusammen. Erst in einem reichlichen Jahr besteht wieder die Chance, das Naturschauspiel einer totalen Mondfinsternis zu erleben.
Der „Förderverein Großer Refraktor Potsdam“ war trotzdem höchst zufrieden mit dem Zuspruch, den der Tag der offenen Tür anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Vereins bei der Potsdamer Bevölkerung fand. Über vierhundert Besucher wurden gezählt. Und als die Tore um Mitternacht geschlossen werden sollten, begehrten späte Gäste immer noch Einlass. „Wir haben natürlich nochmal aufgeschlossen“, berichtet Fördervereinsvorsitzender Ernst-August Gußmann, der mit anderen Aktiven einen Achtstundentag mit Führungen und Erklärungen für die wissbegierigen Besucher zubrachte. Natürlich wollten alle sehen, wie sich das tonnenschwere Doppelfernrohr in Position bringen lässt. Gußmann bediente dazu wie ein Kranführer einen Schaltkasten, in den mittels einer Tastatur die Koordinaten des Sterns eingegeben werden können. Nahezu lautlos schwenkt das Teleskop dann in diese Richtung. Um den Beobachter an das Okular heranzuführen, lässt sich die Beobachtungsbühne motorisiert nach oben und unten sowie seitlich positionieren. Gußmann berichtet, dass es zur Erbauungszeit vor über hundert Jahren ein eigenes E-Werk gab, um das Gerät sowie die Kuppel zu bewegen und zu drehen.
Als abzusehen war, dass aufgrund des wolkenverhangenen Himmels keine Beobachtung möglich war, bot der Förderverein im Stundenrhythmus Vorführungen des Refraktors an. Die Gäste quittierten das mit großem Interesse. Zahlreiche Besucher vereinbarten Termine für Gruppenbesuche.
Der Große Refraktor war zu seiner Erbauungszeit das größte Linsenteleskop überhaupt. Nach Abschluss der Restaurierung im vergangenen Jahr, dürfte es ein in der Welt einmaliges technisches Denkmal in diesem hervorragenden Erhaltungszustand sein. Den Anstoß für seine Erbauung soll ebenfalls eine totale Mondfinsternis gegeben haben. Um dieses Naturschauspiel zu erleben, war der deutsche Kaiser Wilhelm II. in der Nacht vom 15. zum 16. November 1891 auf den Telegrafenweg gekommen. Der Legende nach soll Herman Carl Vogt, der Direktor des Astrophysikalischen Observatoriums, die Gelegenheit genutzt haben, seine Majestät geschickt zu überreden, ein Riesenteleskop bauen zu lassen. Schon acht Jahre später stand das Instrument samt Refraktorgebäude auf dem Telegrafenberg. Wilhelm II. war bei der Einweihung am 26. August 1899 dabei.
Beim Großen Refraktor handelt es sich eigentlich um eine überdimensionale Kamera. Das größere Rohr dient ausschließlich zum Fotografieren auf einer Fotoplatte beziehungsweise zur Zerlegung der Stern-Strahlung mittels eines Prismen-Spektrographen. Das kleinere Rohr ist eine Art Sucher mit Paralaxenausgleich wie er an den meisten analogen Foto-Kameras vorhanden ist.
Mit der Wiedereinweihung des Refraktors im Mai vergangenen Jahres ist das Hauptziel des Fördervereins erfüllt. Laut Gußmann besteht die Aufgabe künftig in der Erhaltung des Instrumentes und dessen Präsentation für die Öffentlichkeit. Die Termine werden im Veranstaltungsplan des Astrophysikalischen Instituts Potsdam bekannt gemacht.
Nächste Besichtigung des Refraktors am morgigen 6. März um 10 Uhr mit Führung über den Telegrafenberg.
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