Landeshauptstadt: Auf dem Bauch zum Sieg
Die Potsdamerin Sandra Bartocha gewann in London den „Rolls-Royce“ der Fotografiepreise
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Drei Stunden etwa war Sandra Bartocha mit dem Trio beschäftigt, probierte verschiedene Einstellungen aus, nutzte die sich verändernden Lichtverhältnisse. Schließlich lag sie auf dem Bauch, die drei Schneeglöckchen auf einer winzigen Bodenerhöhung vor sich, dahinter der See, gebadet im letzten Sonnenlicht des Tages. Dann war es da, das Siegerbild.
Am 19. Oktober bekam die Potsdamer Naturfotografin beim „Veolia Environment Wildlife Photographer of the Year Competition“ dafür in London den ersten Preis in der Kategorie „Pflanzen“. „Das ist der Rolls-Royce unter den Wettbewerben für Naturfotografie, das macht mich natürlich stolz“, sagt die junge Frau. Das Preisgeld sei zwar gleich für die Hotelrechnung in London draufgegangen, aber bei der Zeremonie im National History Museum unter dem Saurierskelett zu stehen, das sei es wert gewesen.
Bartocha, aufgewachsen in einem Dorf bei Neubrandenburg, fotografiert seit ihrer Schulzeit. Zuerst waren es die Freundinnen, die im Sonnenuntergang posierten, vielleicht „zufällig eine interessante Distel daneben“. Dann führt es die Tochter eines Bildjournalisten mit ihrer Fotoausrüstung mehr und mehr in die Natur. Mit den Pfadfindern kommt sie das erste Mal nach Skandinavien, bis das Fotografieren zum alleinigen Grund ihrer Reisen wird. Dafür gab sie sogar ihr Studium auf: „Beides intensiv betreiben, das geht nicht.“ Nun versucht sie, vom Fotografieren zu leben, obwohl ihr die selbstbewusste Vermarktung schwerfällt. Eine gute Vernetzung sei unumgänglich, auch wenn es Zeit koste. Sie ist Mitglied im Fotoclub Potsdam und seit vier Jahren Vizepräsidentin der „Gesellschaft Deutscher Tierfotografen“. Zum 20. Jubiläum des Müritz-Nationalparks erstellt sie eine Multivisons- Show nebst DVD und Buch. 2010 erscheint ihre „Fotoschule in Bildern“ beim Galileo-Verlag.
An Wettbewerben nimmt sie seit Jahren teil. Als sie 2010 in London einen zweiten Preis bekommt, denkt sie: Besser kann es nicht kommen. Aber das tut es. Unter 41 000 Einsendungen aus 95 Ländern kann sie sich mit „Harbinger of Spring“, zu deutsch Frühlingsvorboten, für den ersten Platz qualifizieren, ein weiteres Bild, Orchideen mit Hasenpfötchengras, stuft die Jury als „sehr empfehlenswert“ ein. „Dabei gibt es unendlich viele Menschen, die gute Bilder machen.“ Seltene, wilde Pflanzen und raue Landschaften einzufangen, die unsichtbare Schönheit sichtbar zu machen, sieht sie als Herausforderung. Dafür legt sie sich auch mal stundenlang auf einer Mülltüte auf den feuchten Waldboden. Als sie die Frühblüher im Kasten hatte, wusste sie sofort: Das ist etwas ganz Besonderes. Doppelt belichtet, die scharfen Pflänzchen vor einem unscharfen, durch Abbildungsfehler verwaschenem, verzerrtem Hintergrund, strahlt die Aufnahme etwas Geheimnisvolles aus und stellt die Blüten, wie kleine, angeknipste Lämpchen, unmissverständlich in den Fokus. Dafür benutzte sie ein über Ebay aus Bulgarien ersteigertes altes Aluminiumobjektiv. „Die sind in letzter Zeit sehr nachgefragt“, sagt sie, der Trend gehe zu unperfekten Bildern, weg von der makellosen Pixelwelt. Wie und womit sie denn arbeite, werde sie oft gefragt, aber von der Ausrüstung allein hänge es nicht ab, ob ein Bild gut wird. „Der Zauber entsteht letztlich durch die eigene Sicht, die Intention.“ Wer die „Frühlingsvorboten“ anschaue, so die Jury, könne die frische Luft förmlich riechen, die balzenden Haubentaucher auf dem See hören. S. Pyanoe
S. Pyanoe
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