zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Auf den Spuren der Kapitäne

Stefan Arndt hat über Jahre einen alten Schlepper restauriert. Nun ist der Kahn fertig und der Kapitän auf der Suche nach der Vergangenheit des Schiffs – auch in Potsdam

Von Sarah Kugler

Stand:

Erst zischt und plätschert es nur ein bisschen, dann geht auf einmal ein Ruck durch die Planken, die Maschine rattert los, das Schiff zittert von Heck bis Bug. Wenn der Sechs-Zylinder-Dieselmotor des Schlepperschiffs „Omka“, das gerade im Hafen an der Potsdamer Havelpromenade liegt, losgeht, ist das auf dem gesamten Schiff zu spüren. Schiffseigentümer Stefan Arndt und seiner Familie macht das allerdings wenig aus – ganz im Gegenteil: Arndt selbst hantiert seelenruhig mit Werkzeugen direkt im Motorraum, während Tochter Luna zum Rhythmus der Maschine hin und her wippt. „Sie ist ja quasi mit dem Geräusch aufgewachsen“, erklärt ihre Mutter Stephanie Arndt. „Für sie ist das einfach ihr gewohntes Umfeld, ihr Zuhause.“

Zurzeit sind die drei mit dem in Eigenregie restaurierten Schiff auf den Gewässern Deutschlands unterwegs und legen gerade für drei Tage in Potsdam einen Zwischenstopp ein. Ziel der Reise ist es, die früheren Reisen des Schleppers nachzuempfinden – und vielleicht auch das Schwesternschiff der Omka zu finden, also ein Schiff, das im gleichen Jahr und nach dem gleichen Bauplan gefertigt wurde. Das schippere höchstwahrscheinlich irgendwo im Elbe-Havel-Kanal herum, wie Arndt sagte. „Letztens habe ich eins gesehen, das hätte es sein können, aber richtig sicher war ich nicht“, so der 52-Jährige. „Ich hoffe, ich sehe es nochmal, dann spreche ich den Besitzer an.“

Den gelernten Maschinenbauer treibt eine tiefe Faszination für Schiffe um, wie er erzählt. Seit mehreren Jahren ist er in der Vermietung von Segelschiffen sowie Yachten tätig und hat dabei viele Geschichten von Menschen gehört, die sich intensiv mit dem Thema Schiff und Seefahrt auseinandersetzen. Gerade die alten, auch abergläubisch angehauchten Erzählungen hätten ihn dabei besonders fasziniert, wie er sagt. „Das ist ja auch nicht immer alles Spinnerei, sondern einfach der Respekt vor Dingen, die sich nicht leicht erklären lassen“, so der in Hamburg-Harburg ansässige Arndt – ein echter Seemann eben.

Natürlich klinge es ein wenig seltsam, dass Schiffe eine Seele haben, aber er könne das aus eigener Erfahrung bestätigen. Denn als er sich 1992 dazu entschied, die Omka zu erwerben, wollte er beim Anblick des stark heruntergekommenen Schiffes eigentlich sofort auf der Stelle kehrtmachen. „Das Schiff war ein absoluter Schrotthaufen, immerhin ja auch Baujahr 1926“, erzählt er. „Ich empfand es als Frechheit, dass das überhaupt jemand zum Verkauf anbietet.“ Doch als er dem Schiff den Rücken zudrehte, rief ihn eine innere Stimme wieder zurück, die ihm versprach, das alles, was er an dem Schlepper mache, auch gelingen werde. „Ich weiß ja, wie das klingt, aber manchmal gibt es Eingebungen und ehrlich gesagt wollte ich es dann wissen.“

Zehn Jahre lang arbeitete er an dem Schlepper, klopfte Rost ab, besserte marode Stellen aus, gestaltete viele kleine Details, wie etwa einen Albatros an der Bugspitze oder einen verschnörkelten Spiegel im Kajütenbad. „Es war eine Arbeit, die scheinbar kein Ende nahm“, sagt er. „Aber im Nachhinein war es eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte.“ Im Jahr 2002 unternahm er schließlich die Jungfernfahrt mit dem knapp 15 Meter langen, 3,30 Meter breiten und 40 Tonnen schweren Schlepper – und hatte gleich erst mal mit Rohrleitungslecks zu kämpfen. Inzwischen läuft das Schiff aber ohne Probleme und nimmt auch oft andere Reisende mit, wie Arndt erzählt. Das sei ihm extrem wichtig, denn bei dem ganzen Projekt geht es ihm vor allem darum, das Kulturgut der Schiffsfahrt wieder in das Bewusstsein der Menschen zurückzuholen. „Mich interessiert es total, wie sich Leute fühlen, die den ganzen Tag auf dem Wasser unterwegs sind“, sagt er. „Deswegen fordere ich auch jeden auf, ein Schiffstagebuch zu führen, um das für die Nachwelt festzuhalten.“

Auch um das vermeintliche Schwesternschiff der Omka zu finden, tritt Arndt in den Kontakt mit Menschen, die er trifft. Und das sind nicht wenige, immer wieder hört er Geschichten über seinen Schlepper, der angeblich in seinen vielen Jahren auf dem Wasser auch in Potsdam angelegt haben soll. In der Stadt selbst habe er allerdings keine Hinweise auf das Schiff finden können. Er suche aber auch nicht richtig konkret in Archiven nach Hinweisen, ihm gehe es vielmehr um die Reise als Selbsterfahrung.

Sein erster Besuch in Potsdam jedenfalls gefiel ihm ganz gut. Auch die Menschen seien sehr freundlich und offen. „Es vergeht fast kein Tag, an dem wir nicht auf unser Schiff angesprochen werden“, erzählt er. „Und unter einer Stunde gehen die Gespräche meistens auch nicht.“ Und kulinarisch hält er es eher mit Süßem. Die tollen Torten des Potsdamer Käsekuchen-Cafés in der Mittelstraße etwa: „Für mich als Käsekuchenfan ist das das absolute Paradies, es wird nicht mein letzter Besuch gewesen sein.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })