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Landeshauptstadt: Auf den Spuren Fontanes
Fontane setzte der Mark Brandenburg vor 150 Jahren ein einzigartiges literarisches Denkmal
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Potsdam/Neuruppin - „Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat besitzen“ – für den Schriftsteller Theodor Fontane (1819-1898) war dies Grund genug, sich mit seiner Heimat zu beschäftigten. Am 14. November 1861 konnte er den ersten Band der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ seiner Frau druckfrisch zum Geburtstag schenken. Den Landstrich zwischen Oder und Elbe beschrieb er auf mehreren tausend Seiten, die fünf Bände ergaben.
Die Vorsitzende der internationalen Theodor-Fontane-Gesellschaft mit Sitz im nordbrandenburgischen Neuruppin, Regina Dieterle, findet es heute noch inspirierend, in den Büchern zu blättern. „Vieles bezaubert durch seine Poesie, vieles wirkt aber für den Uneingeweihten auch staubtrocken“, gibt die Zürcherin zu. Manche Artikel seien von dem Schriftsteller mehrfach überarbeitet worden. „Diese Texte leiden unter einer historischen Vortragsweise, die der Autor später selbst nicht mehr gut fand“, sagt sie.
Dieterle, Autorin mehrerer wissenschaftlicher Arbeiten über Fontane und sein Umfeld, arbeitet gerade an einer neuen Biografie. „Die «Wanderungen« waren ein Lebenswerk, das sich nicht abschließen ließ“, betont sie. Zum einen wegen der Stofffülle: Fontane wollte damals alle 1200 märkischen Dörfer mit ihren Kirchen und Taufsteinen, mit den Herrenhäusern und Kunstsammlungen erfassen. Zum anderen mussten bereits vorher publizierte Texte noch einmal für die Buchausgabe überarbeitet werden.
Im Alter von 40 Jahren hatte Fontane mit der Arbeit an den „Wanderungen“ begonnen. Dem Journalisten, Lyriker und Übersetzer war der Gedanke auf einer Schottland-Reise gekommen, wie er selbst schreibt. Der Anblick von Lochleven Castle erinnerte ihn ans heimische Schloss Rheinsberg. Seine Hauptwerke „Effi Briest“, „Frau Jenny Treibel“ und „Der Stechlin“ schrieb er erst im hohen Alter mit über 70 Jahren.
Nach Ansicht von Dieterle haben die „Wanderungen“ auch heute nichts von ihrem Reiz verloren. „Sie eröffnen einen Fantasieraum. Wer sie liest, sieht plötzlich mehr und erlebt auch, wie Geschichte lebendig wird“, betont sie. Viele Autoren ließen sich anregen, es ihm gleichzutun. Auch ausländische Leser würden sich bei der Lektüre in die Brandenburger Landschaft verlieben, meint Dieterle. „Am schönsten ist es, ein solches Feuilleton an Ort und Stelle zu lesen. Da erlebt man Fontanes Meisterschaft.“ In Neuruppin soll 2014 in einem neuen Museumsanbau eine Dauerausstellung zu den „Wanderungen“ eröffnet werden. 18 000 Blatt handschriftliche Notizen und Dokumente befinden sich im Potsdamer Fontane-Archiv, darunter die von ihm auf seinen Wanderungen benutzten Notizbücher. Fontane arbeitete immer weiter an seinen „Wanderungen“, fügte Artikel ein, strukturierte neu und verbesserte, sagte Archivleiterin Hanna Delf von Wolzogen. In einem Band mit Leerseiten hatte Fontane selbst mit Bleistift und in feiner alter deutscher Schrift seine Anmerkungen für künftige Ausgaben hinterlassen.
Ein Kostbarkeit ist ein fast schlicht anmutendes Buch: es ist die Erstausgabe der „Wanderungen“. Damals war selbst dem Autor noch nicht klar, dass es der erste Band werden solle. Handschriftlich hat ein Unbekannter nachträglich eine „1“ auf dem Titelblatt eingefügt.
Gudrun Janicke
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