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Landeshauptstadt: Auf der Jagd nach den Gezackten

Zwei Tage lang haben Karlfried Kraus und Michael Jasch im Krongut Briefmarken in alle Welt versteigert

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Zuerst sah Karlfried Krauss nur fünf Koffer. Von einem Bekannten hatte er den Tipp bekommen. In Dresden wolle eine Frau die Briefmarkensammlung ihres verstorbenen Mannes verkaufen. „Solche Vorortbesichtigungen sind immer mit einem Risiko verbunden“, sagt Krauss. Manchmal lohnt sich die Fahrt, manchmal aber auch nicht. Als sich Krauss an die Sichtung der einzelnen Koffer machte, merkte er sehr schnell, dass sich die Reise nach Dresden sogar sehr gelohnt hatte. „Auf dem Rückweg nach Potsdam musste ich mich zusammenreißen, um mich auf den Verkehr auf der Autobahn zu konzentrieren.“ Karlfried Krauss hatte seine Gründe.

Einer lässt sich seit Donnerstag in klare Worte bzw. Zahlen fassen: 15 000 Euro, plus „Aufgeldern“ liegt die Endsumme bei 18 800 Euro. So viel hat ein Posten aus der Dresdener Sammlung auf der zweitägigen Auktion der Potsdamer Philatelistischen Büro GmbH erzielt, die Karlfried Krauss zusammen Michael Jasch führen. Von 2500 Losen, wie die Angebote in der Fachsprache genannt werden, die auf der Auktion im Krongut Bornstedt zur Versteigerung ausgeschrieben waren, haben Krauss und Jasch am Mittwoch und Donnerstag knapp 1900 an Sammler und Händler aus der ganzen Welt verkaufen können. Die angestrebten 500 000 Euro Umsatz haben sie trotzdem erreicht.

Den Rekord erzielte das Los mit der Nummer 1632 aus der Dresdener Sammlung mit besagten 15 000 Euro. „Das ist ein Brief aus Ungarn“, erklärt Krauss. Die Besonderheit: Die verwendeten Briefmarken in dieser „Frankaturkombination“ waren in Ungarn nur 16 Tage im Juni 1867 möglich. Bei solchen seltenen Entdeckungen spürt Krauss dann das leichte Fieber auf der Jagd nach den Gezackten.

Viele Worte wurden auf der Auktion nicht verloren. Jasch in der Rolle des Auktionators, die einzige Zeit im Jahr, in der einen Schlips trägt, wie er sagt, rief die Nummern der Lose und den entsprechenden Startpreis auf. Dann flogen die Gebote oft nur so durch den Raum, bis der Verkaufspreis feststand. Die Nummer des erfolgreichen Bieters wurde genannt und schon das nächste Los aufgerufen. Nur gelegentlich musste Jasch die Bieter aus der Reserve locken, in dem er den Startpreis noch ein wenig nach unten korrigierte.

„Zehn Prozent vom Startpreis können wir noch runtergehen, wenn keiner bietet. Das ist vertraglich mit den Verkäufern geregelt“, sagt Jasch am Freitag in den Räumen des Potsdamer Philatelistischen Büro im Bornstedter Apfelweg. Nicht selten ging der Preis dann doch noch kräftig nach oben. „Manche pokern einfach“, so Jasch. Oft sind es professionelle Händler, die in den ersten Reihen sitzen, die für mehrere Käufer bieten. Von Februar bis Mai sei die Hauptsaison, finde in Deutschland fast jeden Tag eine solche Auktion statt. Da könne nicht jeder Händler oder Sammler überall sein.

Zwei solcher Auktionen, eine im Frühjahr, eine im Dezember, führen Karlfried Krauss und Michael Jasch mit ihrem philatelistischen Büro, das kurz nach der Wende gegründet wurde, jährlich in Potsdam durch. Die Zeit dazwischen füllen sie mit der Vor- und Nachbereitungen der einzelnen Veranstaltungen. Neben Einzellosen, wie das mit der Nummer 1632 aus der Dresdener Sammlung, bieten sie auch Sammlungen kartonweise an.

Im Katalog steht dann „ ... viel Material in 2 Bananenkartons“. Jasch sagt, dass mit der Größe Bananenkarton jeder etwas anfangen können. Vor der Auktion gibt es Besichtigungstermine im Apfelweg, bestimmte Posten werden auch im Internet per Bild gezeigt. So können sich Sammler und Fachmann genau informieren. Hinzu komme, dass in den wenigen, für den Außenstehenden kryptischen Zeilen im Auktionskatalog, genug Informationen enthalten sind.

„Wir sind Vermittler“, sagt Karlfried Krauss. Wer seine Sammlungen verkaufen will, kann sich an die beiden Fachmänner wenden. „Wir sagen, ob eine Sammlung Geld bringt oder nicht“, so Jasch, der anerkannter Gutachter für Briefmarken aus der sowjetischen Besatzungszone ist. Es seien weniger einzelne Briefmarken, die interessieren. Dafür gibt es feste Preise. „Das Besondere zählt“, sagt Krauss. Wie eine Briefmarke gebraucht wurde. Ob sie einzeln oder zusammen mit anderen verschickt worden ist. Aber auch bestimmte Farbtöne, die immer wieder variieren, haben Einfluss auf den Preis. „Wir beraten, schätzen den Preis und verkaufen.“ Viele bieten Sammlungen an, regelmäßig fahren Krauss und Jasch durch Deutschland und begutachten, was zum Kauf angeboten wird. Manchmal aber kommt ein Tipp eines alten Bekannten, wie der mit den fünf Koffern aus Dresden und dem Einzellos mit der Nummer 1632.

www.potsdamer-phila-buero.de

Dirk Becker

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