Links und rechts der Langen Brücke: Auf der Kippe
Michael Erbach sorgt sich, die positive Stimmung in der Stadt könne durch die Potsdamer Affären umschlagen
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Schon einmal hat der Fernsehmoderator Günter Jauch die Stadtverwaltung auf Trab gebracht: Als er vor knapp fünf Jahren die willkürliche und schikanöse Arbeitsweise des Bau- und Denkmalamtes öffentlich kritisierte, führte dies zu strukturellen Veränderungen innerhalb der Verwaltung. Deutschlands beliebtester Moderator forderte damals keine Sonderrechte – sondern Gleichbehandlung. Jetzt hat der für seine eher zurückhaltende Art bekannte Potsdamer erneut den Weg in die Öffentlichkeit gesucht. Jauch äußert den Verdacht, dass beim Verkauf städtischer Immobilien durch die Gewoba im Jahr 2000 der Unternehmer Semmelhaack durch die Umstände der Ausschreibung bevorzugt wurde. Und der bekennende Potsdamer prangert an, dass Semmelhaack Grundstücke ohne Auflagen erwerben konnte, während er selbst beim Immobilienkauf strenge Auflagen einhalten müsste. Über die genauen Umstände des dubiosen Immobilienkaufs gibt es bis heute nur wenig Aufklärung – bislang wurde vor allem dementiert, dass an den Vorwürfen etwas dran sei, und auf die damaligen schwierigen Zeiten verwiesen. In der Tat: Die Gewoba war als eigenständiges Unternehmen nicht ausdrücklich verpflichtet, die EU-Vorgaben für einen transparenten Verkauf von Immobilien einzuhalten. Doch mit dem Vorgehen beim Verkauf, nämlich nur wenige ausgewählte Unternehmen einzubeziehen bzw. lediglich eine einzige Anzeige in einer überregionalen Tageszeitung zu schalten, sind die Verantwortlichen von damals nun heute konfrontiert: Oberbürgermeister Jann Jakobs, der damals Vorsitzender des Gewoba-Aufsichtsrats war, und Horst Müller-Zinsius, damals wie heute Geschäftsführer der Gewoba. Dabei ist die Kritik von Jauch nur ein Aspekt der Potsdamer Immobilienaffäre. So sind schon die Umstände des Verkaufs städtischer Liegenschaften an die Gewoba im Vorfeld der dann erfolgten Weiterveräußerung nach wie vor umstritten, ist auch weiterhin ungeklärt, warum Semmelhaack gerade jetzt den Zuschlag für den Kauf von weiteren Immobilien in Golm bekam, obwohl er laut Unterlagen nicht das höchste Angebot eingereicht hatte, den Zuschlag erst nach einem unaufgefordert eingereichten Nachgebot erhielt. Auch mutet die für Müller-Zinsius damals gewährte Haftungsfreistellung für den Fall, dass beim Gewoba-Immobiliengeschäft etwas schief gehen könnte, seltsam an. Den Verantwortlichen sollte klar sein: Hier geht es nicht um das Handeln von Verwaltungsmitarbeitern, sondern um das Agieren hoch dotierter Verantwortlicher, nicht um den Ruf einer Abteilung der Stadtverwaltung, sondern um den Ruf der Landeshauptstadt. Dass Potsdam Boom-Town ist und die Reihen der SPD und der anderen Fraktionen der Rathaus-Koalition bislang fest geschlossen sind, darf für Jann Jakobs kein Grund sein anzunehmen, man könne die jetzige Situation einfach so aussitzen. Aufklärung ist dringend notwendig. Was hatte Jakobs nach seiner Wiederwahl lautstark versprochen: Transparenz. Transparenz ist Voraussetzung für Glaubwürdigkeit. Schon bei der jüngsten Stadtwerke-Affäre um die dubiose Vergabe von Sponsorengeldern agierte Jakobs alles andere als souverän. Nun das. Die Stimmung in einer Stadt kann sehr leicht kippen.
Michael Erbach
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