
© Andreas Klaer
Straßenmusiker in der Brandenburger Straße Potsdam: Auf die Nerven gesungen
In der Brandenburger Straße ärgern sich Geschäftsleute und Anwohner über Straßenmusiker. Die Stadtverwaltung Potsdam sieht aber keinen Handlungsbedarf.
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Potsdam – Es ist der Klassiker eines lauen Sommerabends in der Stadt. Ein Straßenmusikant holt seine Geige aus dem Koffer, fängt an zu spielen, die Gespräche verstummen und die Gäste des Cafés lauschen der schönen Musik. Doch nicht immer sind die Darsteller so talentiert, dass das Zuhören zu einem Genuss wird und man gerne den Hut des Mannes oder der Gruppe mit einigen Geldstücken füllt. Vor allem dann nicht, wenn nach dem ersten Musiker gleich der zweite wartet und der dritte und manchmal auch der vierte, wie es häufig in Potsdams Fußgängerzone Brandenburger Straße der Fall ist.
Café-Angestellte: In Potsdam sind Straßenmusiker unterwegs, die es in Berlin nicht geschafft hätten
Es sei einfach nicht mehr auszuhalten, schimpft dort eine Angestellte eines Cafés. Schon morgens um 10 Uhr seien die ersten Straßenmusiker unterwegs. Im Hochsommer sei es besonders schlimm gewesen. „Da stehen fünf bis zehn Leute rum und krakeelen. Das ist ja kein Singen“, sagt die Frau, die lieber anonym blieben will. Und das jeden Tag von morgens bis abends. Sie könne einfach nicht verstehen, warum nichts dagegen gemacht werde. Ohnehin glaube sie mittlerweile, dass in Potsdam die Straßenmusiker unterwegs seien, die es in Berlin nicht geschafft hätten.
Auch manche Anwohner der Brandenburger Straße leiden unter den musizierenden Künstlern. Eine junge Mutter berichtete in einer E-Mail an die PNN-Redaktion, dass in der Sommerzeit ununterbrochen von 11 bis 22 Uhr laute Musik in ihrer Wohnung zu hören sei – oft mit Verstärkern. „Mittagsschlaf der Kinder ist daher nicht möglich. Wir kennen wirklich alle Programme auswendig. Das macht einen wirklich verrückt“, so die Frau. Sie seien im Winter in die Brandenburger Straße gezogen. „Da gibt es natürlich keine Musiker.“ Und im Sommer würden sie zu selten kontrolliert. „Das Ordnungsamt kommt, wenn überhaupt, sehr spät.“ Für die Anwohner hätten die Mitarbeiter auch oft kein Verständnis. Da müsse man sich dann Sprüche wie „Ziehen Sie doch aus!“ anhören. „Gerne würden wir ausziehen, finden aber keinen adäquaten Wohnraum.“ Ein generelles Problem mit den Musikanten hätten sie nicht, versichert die Frau. Dennoch müssten Ruhezeiten eingehalten werden – etwa mittags und ab 20 Uhr. Auch viele Geschäftsleute seien mittlerweile genervt, da sich manche Musikanten direkt vor den Eingang stellten und so die Kunden behinderten.
Das bestätigt auch die Angestellte in dem Café. Vor einigen Tagen sei ein Gast aufgesprungen und habe den Musikanten Geld in die Hand gedrückt – verbunden mit der Bitte, jetzt doch endlich aufzuhören. „Ich kann reingehen und mich verstecken, die Gäste müssen sitzen bleiben – oder eben woanders hingehen“, sagt sie. Das sei natürlich nicht gut fürs Geschäft.
Potsdam sei eine weltoffene und kulturelle Stadt
Die Stadtverwaltung sieht indes kein Problem mit den Straßenmusikern. Über Kontrollen oder Beschwerden dazu gebe es keine Statistik, so Sprecher Jan Brunzlow auf PNN-Anfrage. Das Annehmen von Sach- und Geldleistungen sei kein Entgelt, sondern eine „Anerkennung für die dargebotene Musik“. Daher gelte Straßenmusik auch nicht als ein Gewerbe. Potsdam sei eine „weltoffene und kulturelle Stadt. Wir verzichten auf eine besondere Genehmigung für das Musizieren auf den Straßen“, so Brunzlow. Straßenmusik könne auch zu einem Hör-Erlebnis werden und eine Einkaufsstraße wie die Brandenburger Straße beleben.
Dennoch gebe es Regeln, so Brunzlow. Elektronische Verstärker sind nicht erlaubt. An einem Standort darf maximal 30 Minuten musiziert werden. Ein neuer Standort hat mindestens 300 Meter vom vorhergehenden entfernt zu sein. Ferner ist das Musizieren in der Nähe von Krankenhäusern, Pflegeheimen, Kirchen während des Gottesdienstes sowie vor Schulen während der Unterrichtszeit und vor Gedenkstätten untersagt. Straßenmusik könne verboten werden – aber nur wenn etwa der Fußgängerverkehr behindert wird. Anwohner und Geschäftsleute müssen also wohl weiterhin mit der Musik leben. Immerhin: Derzeit werde ein Infoblatt für Straßenmusikanten über die Regeln in Potsdam erarbeitet, wie es hieß.
Stefan Engelbrecht
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