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Homepage: Auf die Persönlichkeit kommt es an Uni-Diskussion über gute Wissensvermittlung
Es ist nicht so ganz einfach, Lehramtspläne schlanker zu gestalten. Das musste Burkhard Jungkamp, Staatssekretär beim Brandenburgischen Bildungsministerium, erfahren, als er mit Lehrern darüber diskutierte, welche Formeln und Gleichungen für Schüler unabdingbar sind.
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Es ist nicht so ganz einfach, Lehramtspläne schlanker zu gestalten. Das musste Burkhard Jungkamp, Staatssekretär beim Brandenburgischen Bildungsministerium, erfahren, als er mit Lehrern darüber diskutierte, welche Formeln und Gleichungen für Schüler unabdingbar sind. „Wir hatten einiges über Logarithmen aus dem Lehrplan herausgeworfen. Aber später habe ich es heimlich am Laptop wieder in den Plan eingebaut“, gesteht er.
Welches Wissen unverzichtbar ist und wie es in die Köpfe der Schüler hineinkommt, darum ging es bei einer Veranstaltung der Universität Potsdam. „Bildung braucht Persönlichkeit“, behauptete zunächst der Hirnforscher Gerhard Roth in einem Vortrag, um dann in einer offenen Diskussion seine Thesen, die er auch in zahlreichen Buchveröffentlichungen dargelegt hat, zu erläutern. Im Grunde gehe es in der Schule um zwei Dinge, die gleichberechtigt neben einander stünden, erklärte Roth: Persönlichkeitsbildung und Wissensvermittlung.
Im Folgenden beschrieb Roth dann aber im Wesentlichen, wie die Wissensvermittlung seiner Ansicht nach funktioniert. Die Persönlichkeitsentwicklung, die sowohl bei Schülern, als auch bei Lehrern notwendig sei, stand bei Vortrag und Diskussion eher im Hintergrund. Es ging um das Fachwissen und dessen Vermittlung. „Der Wirkungsgrad des Schulunterrichts ist fast gleich Null,“ konstatierte Roth. Untersuchungen hätten ergeben, dass sechs Jahre nach dem Abitur das allermeiste wieder vergessen sei. Kaum ein geisteswissenschaftlicher Student erinnere sich noch an Algorithmen, Differenzialgleichungen und Dreisatz.
Bei den Naturwissenschaftlern sei andererseits das allermeiste Wissen um Geschichte und Literatur wieder verloren gegangen. Auf die Frage, wie dies zu ändern sei, könne allerdings auch die Neurobiologie keine eindeutige Antwort geben. Notwendig sei vielmehr die Zusammenarbeit von Pädagogen, Didaktikern und Neurowissenschaftlern, um letztlich in einem steten Veränderungsprozess zu Verbesserungen der Lehrpläne und Strukturen zu gelangen. Denn das Lernen sei eine kognitive Höchstleistung.
Neues Wissen aufzunehmen, gleichzeitig zu verstehen und mit dem bereits vorhandenen Wissen abzugleichen, beanspruche das Hirn derart, wie kaum eine andere Leistung. Deshalb sei es notwendig, die Wissensvermittlung in kleine Häppchen zu gliedern: „Haben die Schüler drei bis fünf Minuten zugehört, muss der Lehrer nachfragen oder in irgend einer anderen Weise eine kurze Pause schaffen“. Angesichts der anstrengenden Situation frage sich das Hirn des Schülers stets unterbewusst, ob sich der ganze Stress überhaupt lohne. Falle die Antwort negativ aus, schaue der Schüler eben aus dem Fenster. Zunächst allerdings gelte es, überhaupt eine Situation zu schaffen, in der Bereitschaft für den Unterricht bestehe.
Der Lehrer und die Lehrerin müssten sich darüber klar sein, dass es ganz erheblich um ihre Persönlichkeit gehe. Welcher Eindruck beim ersten Auftritt vor der Klasse entstehe, sei enorm wichtig: „Das ist biologisch vorgegeben und entscheidet sich in Sekundenschnelle“. Die Körperhaltung, die Kleidung, der Gesichtsausdruck, all das verdichte sich zu einem Eindruck, der die Schüler blitzschnell entscheiden lasse, ob es sich lohne, dem Lehrer künftig zuzuhören oder auch nicht. „Vor der Klasse zu stehen, kann trainiert werden“, gab Roth den Lehramtsstudenten mit.
Ob die Schüler den Lehrer glauben schenken hinge davon ab, wie engagiert der Lehrer selber sei. Wenn Untersuchungen ergäben, dass etwa 20 Prozent der Lehramtsstudenten lediglich aus Verlegenheit eingeschrieben seien, so wundere er sich auch nicht über „Burn-out“ und gestresste Lehrer, so der Bildungsforscher Wolfgang Lauterbach. Keine Alternative zu überforderten Lehrern sei jedenfalls das E-Learning, darüber war man sich einig. Hier werde der reine Stoff vermittelt, Interesse der Schüler ergebe sich allerdings aus dem direkten Kontakt im Unterricht. „Der Mensch ist ein soziales Wesen, das von der Kommunikation lebt“, so die Potsdamer Bildungsforscherin Agi Schründer-Lenzen. Richard Rabensaat
Richard Rabensaat
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