
© Andreas Klaer
Aktionstag zur Gleichstellung in Potsdam: Auf die Rampen, fertig, los
Zum Aktionstag für Menschen mit Behinderung – Potsdams Behindertenbeauftragter Richter zieht Bilanz
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Innenstadt - Die Boxen auf dem Luisenplatz dröhnen laut, jedoch nicht für alle. Denn unter den Gästen des Straßenfests für Menschen mit und ohne Behinderung finden sich auch viele Gehörlose. Mit Musik, Aktionsständen und einem Parcours sollten am gestrigen Dienstag Menschen zusammengeführt werden. Ganz einfach ist das nicht, manche können sich nur mit Händen und Füßen verständigen.
Das Fest fand im Rahmen des Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung statt. Zu den Gästen zählte auch Potsdams Behindertenbeauftragter Christoph Richter. Städtebauliche Maßnahmen, Onlineangebote und barrierefreie Kommunikation, das sind die Themen, mit denen er sich aktuell beschäftigt. Als Schnittstelle zwischen behinderten Menschen und den Stadtverantwortlichen ist Richter vor allem beratend tätig und will das Thema Barrierefreiheit in Verwaltungsbereichen stärker in den Vordergrund stellen.
Seine Anfangszeit im Amt, das er 2013 antrat, war „davon geprägt, sich einen Überblick zur Barrierefreiheit in Potsdam zu verschaffen und die Strukturen kennenzulernen“. Rollstuhlgerecht? Blindenfreundlich? Leicht verständlich? Das Thema sei sehr heterogen, sagt Richter, es gebe viele Arten von Behinderung und Definitionen zum Begriff „barrierefrei“. Bei städtebaulichen Großprojekten wie am Alten Markt oder dem neuen Schwimmbad gehe es darum, Betroffene und Architekten bereits in der Planungsphase von Projekten zusammenzuführen, damit sie barrierefrei errichtet werden. Gelingen kann das nicht immer, in Potsdam müsse man mit Rücksicht auf den Denkmalschutz immer auch Kompromisse eingehen.
Daneben setzt sich Richter schwerpunktmäßig für barrierefreie Kommunikation ein. Die Webseite der Stadt Potsdam soll beispielsweise in leichte Sprache übersetzt werden. Materialien zur Leitbilddiskussion wurden bereits entsprechend aufbereitet. Für solche Zusatzangebote stehen Gelder aus verschiedenen Haushaltstöpfen zur Verfügung.
Möglichkeiten zur aktiven Bürgerbeteiligung finden in Form eines Forums für Menschen mit Behinderung halbjährlich statt, Menschen mit und ohne Behinderungen kommen dort mit Stadtverantwortlichen zu einem Schwerpunktthema ins Gespräch. Die Verantwortlichen sollen für die Anliegen der Behinderten sensibilisiert werden. Auch Senioren und junge Menschen sollen laut Richter vermehrt angesprochen werden. Gesprächsrunden werden von Letzteren allerdings eher weniger besucht; sie sollen verstärkt über soziale Netzwerke erreicht werden.
Barrieren sind vor allem für Jugendliche an Bildungseinrichtungen ein Problem. Zuletzt wurde am Humboldt-Gymnasium etwa eine Verbindung zwischen Alt- und Neubau erst mit Blick auf die Barrierefreiheit überdacht. Träger solcher Maßnahmen ist allerdings dann die Stadt Potsdam, die die Kosten zahlt. Das Land Brandenburg äußere sich für zukünftige Vorhaben in dem Bereich nur zögerlich. Daneben sind laut Richter auch Potsdamer Unternehmen gefordert, sich für Barrierefreiheit und die Integration behinderter Menschen in den ersten Arbeitsmarkt einzusetzen. Nicht nur die Stadt sei federführend, auch Firmen müssten Engagement zeigen, um die von Deutschland unterschriebene UN-Behindertenrechtskonventionen umzusetzen, so Richter. Die Zahl der schwerbehinderten Menschen in Potsdam liege bei rund 21 400 Personen, Tendenz steigend.
Richters Bilanz: Es muss noch viel getan werden, immerhin sind Maßnahmen aufgrund von bürokratischen Hürden nicht von heute auf morgen umsetzbar. Beim Kopfsteinpflaster fängt es an – Städte mit historischem Kern hätten es beim Thema Barrierefreiheit besonders schwer. Auch Kultur müsse gerade in Potsdam zugänglicher gemacht werden, das Interesse von Menschen mit Behinderung sei vorhanden.
Neben Christoph Richter setzen sich Mitglieder des Beirats für Menschen mit Behinderung in verschiedenen Fachausschüssen für die Anliegen von Behinderten ein. Der Beirat ist ein offizielles Gremium der Landeshauptstadt. Immerhin: Etwa 13 Prozent der Potsdamer Bevölkerung sind schwerbehindert und sollen an den vielfältigen Angeboten teilhaben können. Vorbild, wie das gelingen kann, ist das Stadtfest selbst – hier wurde an alle gedacht.Rita Orschiedt
Rita Orschiedt
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