Landeshauptstadt: Auf gute Nachbarschaft
Beim Sommerfest im Übergangsheim für jüdische Zuwanderer feierten auch die deutschen Nachbarn mit
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Am Stern - Schon von weitem war die fröhliche jüdisch-russische Musik zu hören und lockte auch die deutschen Nachbarn der Einfamilienhaussiedlung an. Beim Sommerfest im neuen Übergangswohnheim für jüdische Zuwanderer in der Turmstraße 55-56 waren gestern alle herzlich willkommen .
Heimleiterin Angelika Schulze hatte mit den Bewohnern Tische und Bänke in dem kleinen, noch nicht begrünten Vorgarten aufgestellt, Kuchen gebacken und kühle Getränke bereitgestellt. „Unser Sommerfest ist zugleich ein Nachbarschaftsfest“, sagte sie. „Viele Anwohner habe ich persönlich eingeladen, uns zu besuchen.“
Seit Ende April wohnen 27 Zuwanderer jüdischer Herkunft aus den GUS-Staaten in den zwei vollständig sanierten Häusern. Ein weiterer Fertigbau ist noch im Entstehen, so dass das Heim bald 100 Zuwanderern Platz bieten wird. „Das kommt alles genau zur richtigen Zeit, denn im Herbst erwarten wir etwa 50 neue Heimbewohner“, sagte Schulz. Etwa ein halbes Jahr sind die Zuwanderer dort untergebracht, um sich Schritt für Schritt auf ein selbstständiges Leben in Deutschland vorzubereiten.
Vor dem Umzug hatte das Übergangsheim eine Adresse in der Kirschallee. Die Räumlichkeiten dort waren jedoch zu groß bemessen, hätten für bis zu 300 Bewohner gereicht. Nach Angaben des Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung hat die Zahl der jüdischen Zuwanderer in den vergangenen Jahren jedoch stetig abgenommen. Ein Grund hierfür ist nach Aussage des Jugendmigrationsdienstes, dass das neue Zuwanderungsgesetz genauere Überprüfungen der Antragsteller vorsieht.
Das deutsche Ehepaar Petra und Jürgen Patschke kam gestern gern auf eine Tasse Kaffee bei den Heimbewohnern vorbei. „Wir sind erleichtert, dass unsere neuen Nachbarn so ruhig und freundlich sind“, sagte Jürgen Patsche. Auch die Häuser seien jetzt so schön wie noch nie. „Vor der Sanierung sahen die schlimm aus“, bestätigte seine Frau. Eine Zeitlang habe die zukünftige Nutzung des Areals für die Anwohner völlig im Unklaren gelegen, erzählten sie. „Die ehemaligen Hausbewohner haben uns gesagt, sie seien rausgeekelt worden“, so Jürgen Patschke. Danach habe es viele Gerüchte gegeben. „Einige hatten sogar die Befürchtung, das Gebiet würde an die Hausbesetzerszene fallen“, sagte Petra Patschke, die seit ihrer Geburt hier lebt und deshalb besonders an der Siedlung hängt. Erst als sich Anwohner bei der Stadtverwaltung beschwert hätten, übergangen worden zu sein, habe man von offizieller Seite reagiert. Heimleiterin Schulz habe sich daraufhin persönlich bei den Nachbarn vorgestellt.
Aber von dem Ärger vergangener Tage war gestern beim Fest nichts mehr zu spüren. Die Heimbewohner betonten, wie zufrieden sie mit ihrer neuen Wohnsituation sind. Zwar sei die Lage nicht unbedingt zentrumsnah, aber dafür habe man hier frische Luft, die Straßenbahn und das Sterncenter gleich um die Ecke, sagte Natalja Pawlowa aus der ukrainischen Stadt Jalta. Obwohl es in ihrer Heimat landschaftlich auch sehr schön gewesen sei, habe sie dort keine Arbeit finden können und sei deshalb nach Deutschland gekommen, so die 37-Jährige.
Ihr pragmatisches Wesen nimmt sich auch die 23 Jahre alte Viktoria Kostina manchmal zum Vorbild, wenn sie sich in der neuen Heimat etwas verloren vorkommt. Zwar lebt ihr Vater in Berlin, aber die Mutter und der Rest der Familie sind in Moskau geblieben. Die junge Frau wohnt seit Ende vergangenen Jahres in dem Heim. Einerseits hofft sie darauf, bald eine eigene Wohnung in Potsdam zu bekommen, andererseits fühlt sie sich wohl und sicher in der Gemeinschaft der Heimbewohner. „Ich habe auch ein wenig Angst, dass ich woanders ganz isoliert lebe“, sagte sie. Die Deutschen seien ziemlich verschlossen, so dass es ihr noch nicht gelungen sei, richtige Kontakte zu knüpfen.
Heimleiterin Angelika Schulz ermutigt ihre „Schützlinge“ immer wieder. „Das Wichtigste ist, die Sprache zu lernen. Dann findet sich auch alles andere.“
Juliane Schoenherr
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