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Sport: Auf schmalem Grat nach Lissabon
Welcher Weg führt ins Finale: Potsdamer Sturm und Drang oder Wolfsburger Routine?
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Wenn man dem Fußballtrainer Bernd Schröder in den vergangenen Tagen zugehört hat, ließe sich das Champions-League-Halbfinale zwischen dem 1. FFC Turbine Potsdam und Vorjahres-Triple-Sieger VfL Wolfsburg als Spiel „Jugend gegen Erfahrung“ betiteln. Im Gegensatz zu seinen Spielerinnen wissen die Wolfburgerinnen, wie es sich anfühlt, im Finale zu stehen, so Schröder. Das macht die Wölfe nicht weniger gierig: „Die Mannschaft ist hoch motiviert und richtig gut drauf. Alle brennen auf diese beiden Spiele“, sagt VfL-Trainer Ralf Kellermann auf der vereinseigenen Webseite. Die Erfahrung, wie sich Triumph anfühlt, könnte also ein Vorteil sein.
Andererseits hat die Potsdamer Abteilung von „Jugend forscht“ im laufenden Wettbewerb herausgefunden, wozu sie in der Lage ist. „Wer Lyon raushaut, hat einen starken Willen“, sagt Schröder. „Das ist eine Tatsache, auf die man aufbauen kann.“ „Champions League“, schwärmt die 21-jährige Jennifer Cramer, „das ist schon etwas Besonderes.“ Und wer im Halbfinale steht, der wolle auch ins Endspiel. „Das funktioniert aber nur, wenn wir mehr als hundert Prozent geben“, betont Cramer. Eine der wichtigsten Tugenden der Potsdamerinnen, die in der laufenden Saison bislang besonders deutlich wurde, ist die mannschaftliche Geschlossenheit. „Das ist unsere Stärke“, sagt Cramer. „Dass wir damit viel erreichen können, hat man gegen Lyon gesehen“. Zur Erinnerung: Nach dem 0:1 im Hinspiel lag Potsdam bei Olympique nach zwölf Minuten mit 0:1 zurück und drehte die Partie sensationell zu einem 2:1-Sieg.
Doch es ist ein schmaler Grat, auf den Schröder seine Mannschaft in die beiden Halbfinal-Spiele schickt. Bei allem Sturm und Drang seiner Elf warnt er: „Wenn wir früh in Rückstand geraten, würden wir Schwierigkeiten haben, damit umzugehen.“ Das habe sich in so wichtigen Heimspielen gegen den Bundesliga-Rivalen Frankfurt und in der Champions League gegen Olympique Lyon gezeigt – beide Male hat Turbine verloren. „Wir haben dann nicht immer die Ruhe, um souverän damit umzugehen“, so Schröder. Hingegen steht beim VfL mit Lena Goeßling, Nadine Keßler, Josephine Henning, Viola Odebrecht, Martina Müller und Conny Pohlers geballte Routine auf dem Platz.
Zudem hat Schröder sehr wohl registriert, dass der vermeintliche Heimvorteil gegen Frankfurt, Lyon und auch beim 1:1-Punktspielremis gegen Wolfsburg nicht ausgereicht hat. „Früher hatten wir das Gefühl, dass wir zu Hause gar nicht verlieren können. Jetzt klappt es auswärts besser“, sagt er. Die vermeintliche Schwäche hat auch Wolfsburgs Trainer ausgemacht: „Wenn wir unsere Tugenden auf den Platz bringen, dann sehe ich eine gute Chance, am Samstag erfolgreich zu sein“, sagt Kellermann. Wie sehr Schröder daher auf den Rückhalt des Publikums baut, zeigt Turbines Verzicht auf eine Live-Übertragung des Spiels auf „Eurosport“. An sich ist Schröder ein Fürsprecher, dass attraktive Frauen-Fußballspiele im Fernsehen gezeigt werden. Aber wenn das zulasten voller Ränge im Karl-Liebknecht-Stadion gehe, gibt er „Eurosport“ einen Korb. „Wir brauchen einen Hexenkessel“, sagt auch Jennifer Cramer.
Anstoß 14 Uhr, K.-Liebknecht-Stadion
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