Landeshauptstadt: Auf „Schweinebäuchen“ laufen
Die historische Pflasterung in der Innenstadt wird schrittweise wiederhergestellt
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Innenstadt - Auf Albrecht Gülzows speziellem Innenstadtplan verschwinden nach und nach die rot eingezeichneten Strecken. Sie kennzeichnen Fahrbahnen und Gehwege, auf denen die historische Pflasterung noch wiederhergestellt werden muss. Als beim Sanierungsträger Potsdam dafür verantwortlicher Projektleiter ist Gülzow in den letzten Jahren gut vorangekommen. Bei einem Rundgang zeigt er aktuell in diesem Jahr wiederhergestellte Strecken, so in der Lindenstraße, den nördlichen Gehweg der Kurfürstenstraße und den Gehweg Am Bassin, in der Dortustraße den Abschnitt zwischen Charlotten- und Bäckerstraße, aber auch kleinere Flächen wie an der Linden- und Spornstraße, wo auf die Restaurierung des Eckhauses sofort mit der Erneuerung des Gehweges reagiert werden konnte. In die Arbeiten einbezogen wird stets die Regenentwässerung, ebenso die Beleuchtung und die Ersatz- bzw. Neupflanzung von Straßenbäumen.
Der seit 15 Jahren beim Sanierungsträger tätige Architekt stützt sich auf ein Rahmenkonzept, das 1995 von den Stadtverordneten beschlossen wurde. Darin wurde für jede Straßenachse zwischen den 21 Karrees (Bebauungsblöcken) der Zweiten Stadterweiterung detaillierte Festlegungen getroffen, denn die Pflasterung ist vielgestaltig. Albrecht Gülzow zeigt Mosaikpflaster aus Bernburger Kalkstein, meist im Randstreifen zur Fahrbahn verlegte, von Äckern stammende bunte Lesesteine, dazwischen die Laufbahnen aus Granitplatten. Sie werden von den Tiefbauern „Schweinebäuche“ genannt, weil sie auf der Unterseite bauchig abgerundet sind und deshalb nicht so leicht durchbrechen können wie die heute neu eingebauten, parallel gesägten Platten. Als Musterbeispiel für die vielgestaltige Erneuerung nach altem Vorbild kann der Neue Markt gelten.
In der DDR-Zeit war das Kleinpflaster zum Problem geworden. Weder Material noch Handwerker standen zur Verfügung, um die Stolperstellen zu schließen. Oft wurde das historische Pflaster dann durch Beton, Asphalt oder hässliche graue Gehwegplatten ersetzt. Das hat sich geändert, erläutert Albrecht Gülzow. Heute beherrschen wieder ausreichend viele Handwerksunternehmen alte Pflastertechniken. Originale Materialien werden wiederverwendet oder bei der Erneuerung alter Dorfstraßen geborgen. Den viel verwendeten Bernburger Kalkstein kann man jetzt wieder aus der anhaltinischen Kreisstadt beziehen, wo die bereits geschlossenen Steinbrüche reaktiviert worden sind. Die Finanzierung der Erneuerung der Pflasterstraßen wird auch in Potsdam aus dem Städtebauförderprogramm unterstützt. Natürlich bedürfen die originalgerecht wiederhergestellten Fahrbahnen und Gehwege der Pflege, so müssen sie regelmäßig abgesandet werden. Diese Kosten liegen etwas höher als bei modernen Asphaltstraßen, doch die Vorteile wiegen dies wieder auf. Insbesondere ergeben sie sich aus der Nachhaltigkeit des ungebunden eingebauten Pflasters, das bei allen Leitungsverlegungen wiederverwendet werden kann. Leider werde dieser Vorteil finanziell nicht dargestellt.
Im neuen Jahr sollen die Arbeiten im Holländischen Viertel abgeschlossen werden. Außerdem stehen Teile der Jägerstraße, der Gutenberg- und Charlottenstraße im Programm, wo die Erneuerung des Gehweges ab der Ecke Dortustraße in Richtung Platz der Einheit fortgesetzt wird. Das bedingt auch eine neue Parkordnung auf der Fahrbahn und nicht mehr auf dem empfindlichen Mosaikpflaster des Bürgersteiges. Gülzow weist darauf hin, dass es um die Sicherung des Bestands der historischen Pflasterstraßen geht. Ein Rückbau von weiteren Straßenflächen, die überformt oder in ihrer Grundstruktur verändert wurden, auf die Gestaltung aus dem 19. Jahrhundert sei weder möglich und gewollt. Dass in der Charlottenstraße die asphaltierte Fahrbahn durch eine Pflasterung ersetzt werde, sei nicht zu befürchten. Diese Straße ist im Rahmenkonzept als Trasse des öffentlichen Nahverkehrs und als Fahrradstrecke in west-östlicher Richtung durch die Altstadt ausgewiesen.
Erhart Hohenstein
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