
© G. Pohl
Sport: Aufbauarbeit gegen die Talentriege der Liga
Der VCO Berlin ist das Sprungbrett für deutsche Volleyball-Talente. Am heutigen Samstag gastiert er in Potsdam
Stand:
Für Kathy Radzuweit war es die erste Wegmarke ihrer Bundesliga-Karriere, ebenso für Lisa Rühl. Beide spielen inzwischen für den SC Potsdam in der ersten Volleyball-Bundesliga, ihre Liga-Erfahrungen machten sie beim VC Olympia Berlin, der heute um 18 Uhr zum Punktspiel in der MBS-Arena gastiert. Der Ausgang des Spiels scheint klar: Alles andere als ein Potsdamer Sieg wäre eine Überraschung. Die Prognose ist nicht etwa dem Stand der Tabelle geschuldet, wo der VCO nach sieben Spielen am Ende steht. Vielmehr ist es das Konzept des Berliner Vereins, was die Mannschaft nicht zwingend konkurrenzfähig macht: Beim VCO trainieren und spielen ausschließlich die aktuellen deutschen Junioren-Nationalspieler – sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern.
Der VCO ist ein gemeinsames Projekt vom Deutschen Volleyball-Verband und der Volleyball-Bundesliga mit dem Ziel, junge Spieler in den letzten ein bis zwei Jahren ihrer Nachwuchslaufbahn unter professionellen Bedingungen auszubilden und an die Bundesliga heranzuführen. „Wir sind die Spitze der Nachwuchsförderung“, sagt VCO-Manager Jörg Papenheim. Von den sechs Bundesstützpunkten aus Deutschland kommen die 18- bis 20-jährigen Auswahl-Talente nach Berlin, wo sie unter Regie ihrer Bundestrainer betreut werden.
Der VCO ist mit einer Wildcard für die erste Bundesliga ausgestattet, „die wir je nach sportlicher Einschätzung jedes Jahr ziehen können“, so Papenheim. So könnten junge Spielerinnen, die sonst in ihren Heimatvereinen vielleicht nur wenig Einsätze bekommen, wöchentlich den Liga-Alltag auf dem Parkett erleben und den Sprung in die Bundesliga schaffen. Jüngstes Beispiel: Carina Aulenbrock. Die 19-jährige Diagonalangreiferin hat im Vorjahr mit dem Wechsel zum Schweriner SC einen konsequenten Karriere-Schritt gemacht, nachdem sie zuvor beim VC Olympia Berlin erstmals Erstliga-Luft schnupperte. In diesem Jahr feierte sie unter Bundestrainer Giovanni Guidetti ihr Debüt in der deutschen Nationalmannschaft.
Das VCO-Projekt ist 1993 ins Leben gerufen worden, doch es ist längst nicht mehr unumstritten. Zuletzt war es der Manager der Berlin Volleys aus der Männer-Bundesliga, der das Projekt „nicht mehr zeitgemäß“ nannte und vom Verband ein effektiveres Nachwuchskonzept forderte, weil vom VCO schon lange keine Talente mehr den Sprung schaffen würden. VCO-Manager Papenheim sieht das anders: „Ein Großteil der aktuellen Frauen-Nationalmannschaft ist bei uns groß geworden. Der VCO ist ein Erfolgsmodell.“
Potsdams Teammanager Eugen Benzel hält das Ausbildungsmodell des Verbandes und der Liga für eine gute Sache. „Es ist für junge Spielerinnen eine gute Präsentationsfläche, um auf sich aufmerksam zu machen“, sagt er. Gerade in Top-Spielen oder engen Partien hätten in den Klubs junge, unerfahrene Spielerinnen eher geringe Chancen auf einen Einsatz.
Theoretisch wäre Sophie Dreblow vom SC Potsdam eine Kandidatin für das Ausbildungsprojekt am Berliner Bundesstützpunkt. Die 16-jährige Junioren-Nationalspielerin wurde von SP-Trainer Alberto Salomoni bei der 0:3-Niederlage beim MTV Allianz Stuttgart vor Wochenfrist erstmals in allen drei Sätzen gebracht – „und hat das solide gemeistert“, wie Benzel befand. Dreblows Weg zu einer Stammspielerin in der Bundesliga soll indes nicht über Berlin führen. In Potsdam hat sie einen Dreijahresvertrag und es gehört zur Idee von Salomoni, junge Spielerinnen über mehr und mehr Einsatzpraxis konkurrenzfähig zu machen: Zuspielerin Giulia Carraro, Neuzugang aus Italien in dieser Saison, ist gerade mal 20 Jahre alt, die Kolumbianerin Ivonee Daniela Montano sowie die Mexikanerin Lizbeth Seomara Sainz sind19.
„Natürlich haben die Vereine ein Interesse, ihre eigenen Talente zu entwickeln und zu halten“, räumt Benzel ein. Daher sei es durchaus zwiespältig, einerseits dem Appell des Nachwuchsbundestrainers zu folgen und Talente zum VCO zu schicken, sie andererseits aber in den eigenen Reihen behalten zu wollen. Da seien eine enge Absprache und ein regelmäßiger Austausch hilfreich und wichtig, um jungen Spielerinnen die besten Entwicklungsmöglichkeiten zu geben. „Man muss den Volleyball für Gesamt-Deutschland im Blick haben“, sagt Benzel, weshalb eine Konzentration der besten Talente wichtig sei. Der VCO habe sich dafür bewährt, „fast alle aktuellen deutschen Top-Spielerinnen haben dort Station gemacht“, so Benzel.
Zu seiner Liga-Station nach Potsdam kommt die Talenttruppe am heutigen Samstag durchaus mit Ambitionen: „Wir wollen uns gut verkaufen, das Spiel eng machen“, sagt Manager Papenheim. „Ideal wäre ein Satzgewinn oder sogar ein Punkt.“ Es wäre der erste in dieser Saison. Für den SC Potsdam hingegen wäre der VCO nach zuletzt zwei Niederlagen in der Liga und dem Pokal-Aus in Münster am vergangenen Mittwoch ein willkommener Aufbau-Gegner.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: