
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: „Aufklärung – ab drei Jahren“
Die Drogenpräventionsstelle Chillout e.V. wird 15 Jahre alt. Leiter Rüdiger Schmolke ist seit 2007 dabei
Stand:
Herr Schmolke, welche Erfahrungen haben sie selbst mit Drogen gemacht, bevor sie zu Chillout kamen?
Ich habe auch illegale Drogen ausprobiert – vor allem in den Neunzigern, die Zeit der großen Techno-Partys. Ich habe mich aber nie einfach nur für Drogen begeistert, sondern immer versucht, das Kritische daran zu sehen. Als ich gesehen habe, dass einige meiner Freunde in problematischen Konsum abgedriftet sind, war das für mich der Grund, in der Aufklärung tätig zu werden. In Hamburg habe ich Ende der Neunziger Jahre im Büro für Suchtprävention gearbeitet und auf Partys Aufklärungsarbeit geleistet, 2004 bin ich nach Berlin gegangen und habe dort ebenfalls in der Prävention gearbeitet.
2007 sind sie Leiter von Chillout geworden. Wie kam es dazu?
Auf eine Initiative von Sozialpädagogik-Studenten der Fachhochschule Potsdam im Jahr 1997. Sie wollten ein explizit niedrigschwelliges Angebot für Konsumenten illegaler Drogen aufbauen, da sie dort eine Lücke in Potsdam sahen. Anfangs war das alles ehrenamtlich. Von Beginn an hatte Chillout das Konzept der akzeptierenden Drogenarbeit, bei der der Drogenkonsum nicht verurteilt oder bewertet wird. Das ist die Voraussetzung, um vielen Menschen überhaupt Hilfe zukommen lassen zu können. Das wird leider oft missverstanden, nach dem Motto: Die finden ja jeden Drogenkonsum in Ordnung. Vor allem als Chillout startete, kursierten Vorurteile, dass da alle selber Drogen nehmen würden, vereinzelt höre ich das sogar noch heute. Aber über die Jahre konnten wir beweisen, dass uns dieser Ansatz wichtig ist, um verantwortungsvoll mit unseren Klienten und Zielgruppen umzugehen und bei ihnen ein Nachdenken über den Konsum zu erreichen.
Wer kommt vor allem zu Ihnen?
Wir beraten natürlich alle Altersgruppen, aber der Schwerpunkt liegt auf Kindern und Jugendlichen. Es ist daher ein großer Erfolg, dass wir seit diesem Jahr im Freiland-Gelände sitzen, wo wir näher an der Lebenswelt der Jugendlichen dran sind. Chillout hat ja eine lange Odyssee hinter sich: Anfangs saß die Stelle in einem abrissreifen Weberhäuschen in der Karl Liebknecht-Straße, danach ging's in die Watt-Straße, dann waren wir viele Jahre in der Feuerbach-Straße und ab 2006 im Haus der Jugend.
Wie hat sich die Arbeit von Chillout im Laufe der Jahre geändert?
Wir haben einen langen Weg der Professionalisierung hinter uns. Ein Wendepunkt war 2005, als die Stadt ihr Suchtpräventionskonzept erneuerte. Seitdem konnten wir das Angebot stetig ausbauen. Es ist ein großer Vertrauensbeweis, dass sich Potsdam so eine Präventionsstelle leistet, denn die Suchtprävention spielt in der Gesundheitspolitik immer noch eine sehr geringe Rolle. Als Chillout anfing, lag der Schwerpunkt auf der Beratung und weniger auf der Prävention, heute ist es eher umgekehrt. Wir gehen oft in Schulen, Kitas oder Freizeitstätten, um dort mit Jugendlichen, Lehrern und Erziehern zu sprechen und sie fortzubilden. Wir versuchen mit allen Zielgruppen von drei Jahren aufwärts zu arbeiten.
Hat sich auch die öffentliche Wahrnehmung verändert?
Ja, ganz viele Ansätze der akzeptierenden Drogenarbeit sind mittlerweile auch in den traditionell orientieren Beratungsstellen angekommen. Die Drogenpolitik ist generell immer noch sehr abstinenzorientiert, aber auch da hat sich viel getan: Alkohol und Tabak wurden ja lange gar nicht als Drogen angesehen, das ist heute anders. Die meisten unserer Klienten kommen zwar wegen Cannabis zu uns, aber Alkohol und Tabak sind als Problem viel größer, deshalb ist das der Schwerpunkt unserer Arbeit.
Begegnen Ihnen bei Jugendlichen immer noch Mythen über Drogen?
Ja, es existieren oft glorifizierende oder total ablehnende Meinungen zu Drogen, aber wenig Faktenwissen. Das hat sich zum Teil stark geändert, etwa beim Tabak, darüber wissen Jugendliche inzwischen erstaunlich viel. Bei Cannabis gibt es noch häufig die Vorstellung, das sei ja immerhin gesünder als Alkohol. Viele denken auch, wenn sie viel Alkohol vertragen, könnten sie damit besser umgehen. Denen ist überhaupt nicht bewusst, dass sie ein viel größeres Potential haben, später ein Suchtproblem zu bekommen, weil sie sich schneller ans Trinken gewöhnen. Aber viele Jugendliche haben ein großes Interesse, sich schlau zu machen.
Das Interview führte Erik Wenk
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